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Gesänge an die Gottesmutter: Die marianischen Antiphonen

Veröffentlicht am 01.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In den vergangenen Jahrhunderten haben sich viele Gebetstexte entwickelt, die sich auf Maria beziehen. Einige haben Einzug in die Liturgie gefunden. Katholisch.de stellt die vier marianischen Antiphonen vor, die traditionell in der Tagzeitenliturgie Verwendung finden – und erklärt, was sie bedeuten.

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Was ist eine marianische Antiphon?

Eine marianische Antiphon ist, so könnte man salopp formulieren, zunächst einmal nichts anderes als ein Marienlied. Als Antiphon bezeichnet man vor allem in der Tagzeitenliturgie einen kurzen Vers, der die Psalmen und Cantica der jeweiligen Horen umrahmt. Antiphonen sind sozusagen Lesehilfen, die es ermöglichen wollen, den nachfolgenden Text unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu betrachten. Sie sind also eine Hilfe, einen Gebetstext theologisch einzuordnen und diesen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Fest- bzw. Gedenktag zu sehen.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich immer wieder Gebetstexte entwickelt, die sich auf Maria beziehen und das Heilsgeschehen in Christus im Blick auf Maria ausdeuten. Manche dieser Texte sind später vertont worden und haben so Eingang in die Liturgie gefunden. Bis heute haben sich vier dieser marianischen Antiphonen erhalten, die traditionell in der Tagzeitenliturgie Verwendung finden. Als Ort für die marianische Antiphon bestimmt die "Allgemeine Einführung in das Stundengebet" die Komplet, also die letzte Hore des Tages. Allerdings hat es sich vielerorts eingebürgert, die Antiphon bereits zum Abschluss der Vesper zu singen, weil sie zumeist die letzte Hore ist, die in Gemeinschaft gebetet wird. Diese Praxis sieht übrigens auch das Gotteslob vor, wenn es vorsieht, dass die Vesper mit der marianischen Antiphon oder einem Marienlied abgeschlossen werden kann (GL 632,4). Daraus lässt sich ableiten: Die marianische Antiphon ist im Regelfall der Abschluss der Komplet, kann aber auch bereits am Ende der Vesper gesungen werden.

Salve Regina

Das "Salve Regina" (GL 666,4) ist gewissermaßen für die "grüne Zeit" vorgesehen; sie ist die marianische Antiphon, die in der Zeit im Jahreskreis gesungen wird. Als Verfasser des Textes wird traditionell Hermann der Lahme (1013-1054) angesehen. Hermann stammte aus einem schwäbischen Adelsgeschlecht und kam schon als Kind in das Kloster Reichenau, welches auf der gleichnamigen Insel im Bodensee liegt; dort legte er später auch die Mönchsgelübde ab. Obwohl es heißt, dass Hermann das Kloster zeit seines Lebens nie mehr verlassen habe, war er wohl in verschiedenen Fachbereichen sehr gebildet. Von Außenstehenden wurde er gar als "Wunder des Jahrhunderts" bezeichnet. Aufgrund einer Krankheit erhielt er übrigens den Beinamen "der Lahme"; wenngleich er auch nie heiliggesprochen wurde, so wird er in einigen Teilen Schwabens bis heute sehr verehrt, viele Kirchen ziert eine Darstellung seiner Gestalt.

Sein "Salve Regina" ist ein typischer Gebetstext, der sich an Maria, die "Königin", die "Mutter der Barmherzigkeit" wendet. Maria ist, so fährt die Antiphon fort, die Fürsprecherin an Gottes Thron, die dort für die Sorgen und Nöte der Menschen einsteht. Die letzte Strophe wendet den Blick Jesus zu, der "gesegneten Frucht" ihres Leibes: Nach der Wanderung durch dieses elende Erdental ihn zu sehen, ist das Verlangen des Beters.

Bild: ©katholisch.de

Der Text der "Salve Regina" steht auf dem Windschutz einer Kerze bei der allabendlichen Lichterprozession in Lourdes.

Wenngleich das Leben auch in der Schau des Erlösers endet, so ist das "Salve Regina" doch eher von einer recht pessimistischen Grundstimmung durchzogen. Leitend ist hierbei der Gedanke, dass die Menschen "verbannte Kinder Evas" sind, also aus dem Paradies Vertriebene. Das ursprüngliche Leben in der Gottunmittelbarkeit ist verwirkt, das Leben ist zum "Tal der Tränen geworden", in dem man nur "seufzen, klagen und weinen" kann. Wenngleich der Text auch die alte Eva-Maria-Typologie nicht explizit erwähnt, so steht sie wohl doch im Hintergrund: Durch Eva ist die Menschheit in das Tal der Tränen verbannt, durch Maria wird ihr die Tür zum Erlöser geöffnet, den sie am Ende ihrer Wanderschaft schauen darf.

Eine freie Übertragung der Antiphon ist das Lied "Gegrüßet seist du, Königin", das sich im Gotteslob unter Nummer 536 befindet.

Alma Redemptoris Mater

Die marianische Antiphon, die für die Advents- und Weihnachtszeit vorgesehen ist, beginnt mit den Worten "Alma Redemptoris Mater" (GL 666,1) – "Segensspendende Mutter des Erlösers". Ob auch dieser Text aus der Feder des Reichenauer Mönchs Hermann stammt, ist nicht ganz eindeutig. Jedenfalls wird sie auch dem Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach (um 1180-1240) zugeschrieben, der als Schriftsteller im Kloster Heisterbach bei Königswinter wirkte.

Der Text der Antiphon greift die klassischen marianischen Bilder auf: Maria ist "Mutter des Erlösers", "Pforte des Himmels" und "Stern des Meeres". Auch die Aufgabe, die Maria im Heilsgeschehen zukommt, wird beschrieben: Sie soll der gefallenen Menschheit wieder zum Aufstehen verhelfen. Damit ist erneut der Motivkomplex angeschnitten, der bereits im "Salve Regina" begegnet ist. Der zweite Teil der Antiphon klingt eher adventlich bzw. weihnachtlich: Hier geht es um die Geburt des Erlösers, der Maria durch Gabriel verkündigt worden ist. Auch die Jungfräulichkeit Mariens ist Thema der Antiphon, wird sie doch als "Jungfrau davor und danach", also vor und nach der Geburt, betrachtet. Damit rekurriert der Text auf die typischen Motive, in der Advents- und Weihnachtszeit in unterschiedlicher Weise begegnen.

Auch diese Antiphon hat mit "Maria, Mutter unsres Herrn" (GL 530) eine freie Übertragung erfahren, die im Gottesdienst nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit Verwendung findet.

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Ave Regina Coelorum

Das "Ave Regina Coelorum" (GL 666,2) ist die marianische Antiphon in der Tagzeitenliturgie der österlichen Bußzeit. Über diesen Text ist relativ wenig bekannt, weder wird ein Autor genannt, noch gibt es eine Zuschreibung. Vermutlich im 12. Jahrhundert ist das Gebet erstmals aus Handschriften bekannt.

Warum die Antiphon ausgerechnet eine Zuschreibung zur österlichen Bußzeit erfahren hat, ist allein vom Text her nicht zu erschließen. Maria wird vielmehr mit vier Titeln bezeichnet, die ihre herausragende und einzigartige Stellung betonen: Sie ist "Himmelskönigin", "Herrscherin der Engel", sie wird als "Wurzel, der das Heil entsprießt" bezeichnet und als "Tür zum Licht" angerufen. Der Text mündet in einen Aufruf zur Freude, da Maria, die Jungfrau, über alle Seligen erhaben ist. Abschließend erfolgt wiederum der Blick auf Christus und die Bitte an Maria, fürsprechend bei ihrem Sohn für die Menschen einzutreten.

Es ist auffallend, dass die Antiphon keine klassischen Motive der Fasten- und Passionszeit aufgreift. Vielleicht auch deswegen, weil sie ursprünglich gar nicht für diesen Zeitraum verfasst worden ist. Da die Entstehungsgeschichte der Antiphon im Dunkeln liegt, lassen sich solche Aussagen nur sehr vage treffen.

Regina Coeli

Völlig anders als bei der Antiphon für die österliche Bußzeit liegen die Dinge beim "Regina Coeli" (GL 666,3), dem Gesang für die österliche Festzeit. Hier nämlich ist ganz eindeutig eine Zuordnung zu einem bestimmten Fest möglich: Die Antiphon dreht sich um Ostern und darum, wie Maria angesichts der Auferstehung ihres Sohnes reagiert.

Erstmals nachweisbar ist der Text des "Regina Coeli" um 1200 in Rom. Über die Entstehungsgeschichte berichtet die sogenannte "Legenda Aurea": Dort heißt es, der Text sei himmlischen Ursprungs, denn Engel hätten bei einer Prozession unter Leitung von Papst Gregor dem Großen die Antiphon gesungen. Dadurch wurde zugleich das Ende einer Seuche angekündigt, die Rom in dieser Zeit gefangen hielt.

Der Gebetstext beginnt mit einem Aufruf zur Freude: "Freu dich, du Himmelskönigin". Der Grund dafür wird im zweiten Vers genannt: Ihr Sohn, den Maria in ihrem Leib getragen und geboren hat und der am Karfreitag am Kreuz gestorben ist, ist von den Toten auferstanden. Dies hatte er seinen Jüngern zuvor mehrfach vorausgesagt. Und wiederum mündet auch diese Antiphon in den Aufruf, Maria möge als Fürsprecherin für die Menschen bei Gott eintreten.

"Freu dich, du Himmelskönigin" beginnt auch das Lied im Gotteslob (Nummer 525), welches den Text der marianischen Antiphon aufnimmt und in einer freien Weise bearbeitet.

Von Fabian Brand