Bischof Hinder: Habermas hätte Emirate-Preis nicht ablehnen sollen
Der für Arabien zuständige Bischof Paul Hinder sieht die Ablehnung des durch den Kronprinzen von Abu Dhabi verliehenen "Sheikh Zayed Book Award" durch den Philosophen Jürgen Habermas kritisch. Gegenüber kath.ch (Montag) betonte der Apostolische Vikar des Vikariats Südliches Arabien, dass im arabischen Raum Gastfreundschaft als etwas Heiliges gelte. "Eine Einladung auszuschlagen, ist eine Beleidigung, außer es können schwerwiegende Gründe angeführt werden", so Hinder. Habermas hatte den mit einer Million Dirham (ca. 225.000 Euro) dotierten Preis für die "kulturelle Persönlichkeit des Jahres" zunächst angenommen, nach einem kritischen Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" (Sonntag) allerdings ausgeschlagen. Habermas gilt als einer der meistgelesenen Religionsphilosophen im arabischen Raum.
Hinder erinnert gegenüber kath.ch an die Tradition westlicher aufgeklärter Fürsten, "die zwar undemokratisch regierten, aber der Aufklärung zum Durchbruch verhalfen". Ähnliches sei auch "einzelnen arabischen Fürsten" zuzutrauen. Nach Meinung des Bischofs hätte Habermas die Auszeichnung trotz politischer Bedenken annehmen sollen. "Mit der nachträglichen Verweigerung, den Preis anzunehmen, riskiert der Philosoph 'die aufklärende Macht des kritischen Wortes' zu schwächen, das dank Übersetzungen auch in den arabischen Raum hineinwirkt und sogar von Monarchen willkommen geheißen wird", so Hinder weiter.
Habermas: Glaube auf längere Sicht an aufklärende Macht des kritischen Worts
Vor seiner Ablehnung des Preises hatte Habermas gegenüber dem Spiegel erklärt, dass seine Werke "wohl kaum der Stabilisierung der dort bestehenden Ordnung dienen". "Wie sollte ich mich nicht freuen, dass ausgerechnet meine Bücher über die in der Tradition der Kantischen Aufklärung stehende Diskursethik in den Vereinigten Arabischen Emiraten veröffentlicht worden sind?", so Habermas. Später bezeichnete er die Annahme des Preises als "falsche Entscheidung, die ich hiermit korrigiere". Er habe sich die sehr enge Verbindung der verleihenden Institution mit dem politischen System nicht hinreichend klargemacht. "Der heutige SPIEGEL-Artikel zu diesem Thema endet mit dem Satz. 'Gewöhnlich gewinnt, wenn Geist und Macht aufeinandertreffen, die Macht.' Kurzfristig ja; aber auf längere Fristen glaube ich an die aufklärende Macht des kritischen Wortes, wenn es nur ans Licht der politischen Öffentlichkeit dringt", betonte Habermas.
Der jährlich verliehene Buchpreis ist nach dem ersten Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Zayid bin Sultan Al Nahyan, benannt und wird seit 2007 in mehreren Kategorien verliehen. Organisiert und finanziert wird die Verleihung von der Kultur- und Tourismusbehörde Abu Dhabis, wo auch Hinders Vikariat seinen Sitz hat. Die Menschenrechtslage in den VAE ist problematisch. In der jüngst veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" nimmt das Land Platz 131 von 180 ein, die US-amerikanische Denkfabrik "Freedom House" stuft die Emirate mit 17 von 100 Punkten als "unfrei" ein.
Der Kapuziner Paul Hinder war ab 2005 Apostolischer Vikar von Arabien und Jemen mit Sitz in Abu Dhabi, das 2011 in ein Vikariat für das nördliche und südliche Arabien aufgeteilt wurde. Hinder blieb als Vikar im südlichen Teil, zu dem die Länder Jemen, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. Seit 2020 leitet er auch das nördliche Vikariat als Apostolischer Administrator, das die Länder Katar, Bahrain und Saudi-Arabien umfasst. Zu den Gläubigen seiner Vikariate gehören vor allem ausländische Christen, die dort arbeiten.
Der 1929 geborene Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas ist einer der bedeutendsten Denker weltweit. Vor allem in seinem Spätwerk beschäftigt er sich intensiv mit religiösen Themen. Zuletzt erschien von ihm 2019 "Auch eine Geschichte der Philosophie" in zwei Bänden, in denen er sich mit dem Verhältnis von Glauben und Wissen auseinandersetzt. (fxn)