DBK-Vorsitzender sieht Gewissen der Gläubigen als entscheidend

Bätzing: Keine allgemeine Einladung zur Interkommunion beim Kirchentag

Veröffentlicht am 11.05.2021 um 09:48 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am Donnerstag beginnt der 3. Ökumenische Kirchentag. Bischof Georg Bätzing verteidigt im Interview das Konzept der ökumenisch sensibel gestalteten Mahlfeiern in konfessionellen Gottesdiensten – betont aber auch, worum es dabei gerade nicht geht.

  • Teilen:

Trotz Bedenken aus Rom will der Ökumenische Kirchentag von Donnerstag bis Sonntag mehr kirchliche Mahlgemeinschaft unter Christen wagen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, wirbt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) für eine Ökumene des Gewissens.

Frage: Wegen der Pandemie findet dieser Ökumenische Kirchentag überwiegend digital statt. Andere digitale Großereignisse wie etwa Parteitage haben es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Wird das auch dem ÖKT gelingen?

Bätzing: Mir kommt es nicht auf die Schlagzeile an, sondern auf die Botschaft, die wir in die Öffentlichkeit senden wollen: Als Christinnen und Christen stehen wir gemeinsam in einer Welt mit großen Zukunftsfragen. Und zu diesen Themen wollen wir einen vom Evangelium motivierten Beitrag leisten, der die öffentliche Diskussion und Entscheidungsprozesse bereichert. Darum heißt der Kirchentag "ökumenisch".

Wir geben gemeinsam Zeugnis vom Glauben an den gerechten, gütigen und lebensbejahenden Gott Jesu Christi. Wir alle hätten uns ein großes Glaubensfest in Frankfurt gewünscht, mit Menschen und Begegnungen vor Ort. Dies ist angesichts der Pandemie nicht möglich. Dennoch ist es wichtig und richtig, den ÖKT nicht einfach abgesagt zu haben, sondern dieses - wenn auch digitale - Zeichen zu setzen. Damit machen wir deutlich: Wir nehmen die Pandemie ernst, wir lassen uns aber nicht von ihr lähmen.

Frage: Ein großes Thema sollte das dem Gewissen des einzelnen Menschen überlassene "Hinzutreten zum Tisch des Herrn" unabhängig von der Konfession werden. Wird es solche Konfessionsgrenzen überwindende sakramentale Gottesdienste trotz der schriftlichen Einwände aus Rom beim ÖKT dennoch geben?

Bätzing: Am Samstagabend feiern wir Gottesdienste in unseren jeweiligen konfessionellen Traditionen, die ökumenisch sensibel gestaltet sind. Das gibt allen die Gelegenheit, einander in der Vielfalt der christlichen Konfessionen zu besuchen, als gastfreundlich zu erfahren und den gemeinsamen Glauben an die lebendige Gegenwart Jesu Christi zu bezeugen. Ich werde die Eucharistiefeier im Frankfurter Dom mitfeiern.

Vielerorts werden Christinnen und Christen in konfessionellen Gottesdiensten zusammenkommen. Ich appelliere aber, die Teilnahme nicht als demonstratives Zeichen zu gestalten, sondern den geistlichen Charakter und die ehrliche persönliche Entscheidung jedes und jeder Einzelnen zu respektieren.

Um es noch einmal klar zu sagen: In der angebotenen Feiergestalt geht es nicht um Interkommunion im Sinne einer generellen wechselseitigen Einladung zur Teilnahme an Eucharistie und Abendmahl, sondern um die Frage, wie wir mit der persönlichen Gewissensentscheidung einzelner katholischer oder evangelischer Christen umgehen. Für mich gilt, dass ich eine solche Entscheidung respektiere und die Kommunion spende, wenn jemand hinzutritt, der glaubt, was wir Katholiken glauben, und im Glauben an die wirkliche Gegenwart Jesu Christi den Leib des Herrn empfangen möchte.

Es geht nicht darum, allgemein nicht-katholische Christinnen und Christen zur Kommunion einzuladen, denn eine volle Kirchengemeinschaft zwischen den getrennten Kirchen besteht nach wie vor nicht. Das katholische Kirchenrecht kennt im Übrigen durchaus die Möglichkeit, dass Nicht-Katholiken unter bestimmten Voraussetzungen die Heilige Kommunion empfangen können. Zweifellos müssen wir aber den theologischen Dialog über die Bedeutung von Eucharistie und Abendmahl und deren Bedeutung für die Kirchengemeinschaft fortsetzen. Hier gibt es erfreulicherweise bereits deutliche Annäherungen in den vergangenen Jahren.

"Schaut hin" als oranger unscharfer Schriftzug auf violettem Hintergrund
Bild: ©ÖKT

"Schaut hin": das Kampagnenlogo des 3. Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am Main.

Frage: Den beiden größten christlichen Glaubensgemeinschaften in Deutschland, insbesondere aber der katholischen Kirche, weht seit Jahren der Wind ins Gesicht. Das Vertrauen der Öffentlichkeit schwindet, Mitglieder treten in Scharen aus. Was erhoffen Sie sich in dieser Situation vom ÖKT ?

Bätzing: Der ÖKT wird deutlich machen, dass wir als Christinnen und Christen gemeinsam die Welt gestalten und zusammenstehen. Wir machen deutlich, dass wir für Themen eintreten, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft, die soziale Gerechtigkeit und weltweite Solidarität in den Fokus rücken. Und wir werden mit dem ÖKT zeigen, dass wir für ein Gottes- und Menschenbild einstehen, das wichtig für die aktuellen Debatten ist und von uns eingebracht wird.

Das heißt: Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst und wahr. Gleichzeitig geben wir Zeugnis von unserem Glauben und versuchen in vielfältigen Formaten, Erfahrungen mit diesem Glauben und seiner Relevanz in den großen Zukunftsfragen zu vermitteln. An der Verlässlichkeit, mit der wir diesen Auftrag erfüllen, darf man uns messen.

Frage: Ökumene von Protestanten und Katholiken in Deutschland bedeutet derzeit eher "Leben in versöhnter Verschiedenheit" als "Unterwegs sein zu einer immer vollkommeneren kirchlichen Einheit". Was würde es für die Ökumene bedeuten, wenn die katholische Kirche in Deutschland in ihrer Kirchendisziplin und Lehre (Stichworte Zölibat, Frauenordination , Sexualmoral) im Zuge ihrer Reformbestrebungen trennende Unterschiede zum liberalen Protestantismus überwinden würde?

Bätzing: Diese Themen sind auch in der Ökumene wichtig. Aber wenn wir uns katholischerseits mit ihnen befassen, geht es nicht um Angleichung an den Protestantismus, wie manche uns vorhalten. Einmal abgesehen davon, dass "protestantisch" für mich nicht wie eine Gefahr klingt, kommen die Anfragen doch aus dem Innersten der katholischen Kirche.

Daher werden wir den von uns eingeschlagenen Synodalen Weg theologisch fundiert weitergehen, um zu inhaltlich begründeten Entscheidungen zu kommen, die wir hier in unserem Land umsetzen können oder sie als Anfragen in die Weltkirche hineintragen. Es ist gut, dass Vertreter der Ökumene uns auf diesem Weg kritisch begleiten. Aber es ist schon wichtig, dass wir verstehen: Der Synodale Weg zielt auf eine innere Reform der katholischen Kirche in unserem Land. Das kann sich dann - in einem zweiten Schritt - auch auf die Ökumene auswirken.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)