Sosa: Aktuelle Kirchensituation erlaubt keine Rückschritte
Am Donnerstag beginnt das Jubiläumsjahr der Jesuiten aus Anlass der Bekehrung ihres Gründers Ignatius von Loyola (1491-1556) vor 500 Jahren. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert Arturo Sosa (72), der Generalobere des Ordens, wieso das Vermächtnis des Heiligen gerade in der Pandemiezeit bedeutend ist.
Frage: Padre Sosa, am Donnerstag werden Sie im spanischen Pamplona das Gedenkjahr zu Ehren des Jesuiten-Gründers eröffnen. Was können Menschen heute von dem leidenschaftlichen Basken lernen?
Sosa: Ich sehe in der Corona-Pandemie einige Parallelen zu seiner Bekehrung. 1521 zerschmetterte in der Schlacht um Pamplona eine Kanonenkugel das Bein von Ignatius. Trotz seiner schweren Verletzung stand der Ritter wieder auf und führte fortan ein neues, geistliches Leben. Die Schäden und Verwundungen in der gegenwärtigen Krise sind ebenfalls enorm. Aber sie eröffnen der Menschheit die Chance, nach neuen, besseren Wegen zu suchen.
Frage: Ist die Kirche zurzeit auf dem richtigen Weg – oder muss sie sich erst noch orientieren?
Sosa: Wir erleben auf dem Weg der Kirche eine außerordentlich wichtige Phase. Die entscheidende Wegmarke sehe ich im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Wenn wir die Richtung des Konzils beibehalten, geht es vorwärts. Schaffen wir das nicht, wäre es ein Rückschritt. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Unser gemeinsamer Weg ist kein Spaziergang. Oft ist er uneben und steil – so, als müsse man einen Berg erklimmen.
„Wenn wir die Richtung des Konzils beibehalten, geht es vorwärts. Schaffen wir das nicht, wäre es ein Rückschritt. Das ist nicht so einfach, wie es klingt.“
Frage: Welche Rolle spielt der Jesuitenorden bei diesem Unterfangen?
Sosa: Auch wir müssen uns den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Die Pandemie hat uns ebenso wenig verschont. Es gibt in unseren Reihen etliche Tote und viele Infizierte. Allein in Indien sind im April 28 Jesuiten gestorben. Wir dürfen trotzdem nicht in Stillstand verharren. Ich sehe überall eine große Hilfsbereitschaft. Unsere Pfarreien, Schulen und sozialen Einrichtungen sind geöffnet. Das Engagement für Flüchtlinge in aller Welt geht ebenfalls weiter und hat zuletzt eher zugenommen.
Frage: Was sagen Sie als Venezolaner zur aktuellen Lage in Lateinamerika? Es wirkt so, als habe die Pandemie den Effekt eines Brandbeschleunigers. Können sich die sozialen Unruhen in Kolumbien zu einem Flächenbrand ausweiten?
Sosa: Die Pandemie hat die Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Armut in ganz Lateinamerika verstärkt. Was wir in Kolumbien erleben, ist in der Tat eine Art Explosion. Es geht nun darum, einen Weg zu Freiheit und Frieden zu finden. Zugleich muss die Kirche den Leidtragenden in Venezuela, Ecuador, Brasilien beistehen. Auch dort haben wir in den vergangenen Monaten soziale Proteste erlebt. Der Funke ist also bereits übergesprungen. In allen betroffenen Ländern gilt: Ohne Verhandlungen und Gespräche der verschiedenen Konfliktparteien kann es keine vernünftigen Lösungen geben.
Frage: In Europa sind kürzlich die bisherigen deutschsprachigen Ordensprovinzen mit denen anderer Länder zusammengelegt worden. Ist die neue Provinz Zentraleuropa mit Sitz in München ein Schritt in die richtige Richtung?
Sosa: Das ist für uns ein ganz enormer Schritt vorwärts. Der Orden ist seit Jahren dabei, sich neu aufzustellen. Kritiker behaupten, das hänge nur mit den sinkenden Mitgliederzahlen zusammen. Die Wahrheit ist, dass sich die Welt gravierend verändert hat. Globalisierung und Vernetzung ermöglichen eine andere Mobilität als früher. Dieser Entwicklung tragen wir mit der neuen Provinz Zentraleuropa Rechnung. So können wir unsere Mission künftig besser erfüllen.