Mehr als Thiel und Boerne
Wer an Münster denkt, denkt unweigerlich an Thiel und Boerne. Die beiden Kult-Ermittler aus dem ARD-"Tatort" haben das Bild der westfälischen Universitätsstadt in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt und sie - gemeinsam mit Georg Wilsberg aus der gleichnamigen ZDF-Serie - zu Deutschlands Krimi-Hauptstadt gemacht.
Neben den Krimis gibt es aber noch ein anderes "K", das mindestens genauso prägend für die 300.000-Einwohner-Stadt ist: die katholische Kirche. Münster ist eine der katholischsten Großstädte Deutschlands; mit einem Katholikenanteil von rund 55 Prozent ist die Stadt eine wahre Hochburg des Katholizismus. Die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die hier ab Montag stattfindet, ist für die 66 Bischöfe und Weihbischöfe also eine Art Heimspiel.
Ein Kloster als Ursprungsort der Stadt
Münster und Kirche - seit Beginn der Stadtgeschichte Anfang des neunten Jahrhunderts ist dies eine Symbiose. Schließlich war es mit Liudger (742-809) ein christlicher Missionar, der im Jahr 793 auf dem Gebiet des heutigen Domplatzes ein Kloster gründete, dessen lateinische Bezeichnung - Monasterium - der Stadt ihren Namen gab. Wenige Jahre später wurde Liudger der erste Bischof des neu gegründeten Bistums Münster; heute ist er einer der wichtigsten Heiligen der Diözese.
Das Bistum selbst ist eines der Schwergewichte unter den 27 deutschen Diözesen. Nicht nur gemessen an der Zahl der Katholiken - knapp zwei Millionen - liegt Münster in den kirchlichen Statistiken weit vorn. Auch andere Daten beeindrucken: In dem von Bischof Felix Genn geleiteten Bistum gibt es 300 Pfarreien, 891 Kirchen und Kapellen sowie 1.129 Priester. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Sakramenten: Bei der Zahl der Taufen (14.315), Erstkommunionen (18.586), Firmungen (15.359) und Trauungen (3.827, Zahlen jeweils von 2012) gehört Münster zur Spitzengruppe in Deutschland. Der christliche Glaube - das zeigen diese Zahlen - ist für viele Menschen in der Diözese immer noch fester Lebensinhalt.
Mittelpunkt des Bistums und der Stadt ist der St.-Paulus-Dom, der in diesem Jahr 750 Jahre alt wird und in dem die Bischöfe und Weihbischöfe während der Vollversammlung täglich Gottesdienst feiern werden. Der Dom wurde 1264 nach knapp 40-jähriger Bauzeit vom damaligen Bischof Gerhard von der Mark geweiht. Die Kathedrale enthält Elemente von Spätromanik, Gotik und Renaissance. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie schwer zerstört, bis 1956 wieder aufgebaut und zuletzt 2011/2012 umfassend saniert.
Eisenkäfige an der Lambertikirche
Weithin bekannt ist auch die nur etwa 100 Meter Luftlinie vom Dom entfernte Kirche St. Lamberti. Das Gotteshaus am Prinzipalmarkt, der "guten Stube" Münsters, ist das bedeutendste Werk der westfälischen Spätgotik. Vor allem aber erregt es durch drei am Turm aufgehängte Eisenkörbe Aufmerksamkeit. In ihnen wurden im Jahr 1536 die Leichname von drei hingerichteten Anführern des Täufertums, einer knapp eineinhalb Jahre in Münster herrschenden radikal-reformatorischen Bewegung, zur Schau gestellt.
Vom Turm der Kirche bläst abends von 21 Uhr bis Mitternacht ein Türmer halbstündlich in sein Horn. Das Amt, das seit 1379 existiert und seit kurzem erstmals von einer Frau ausgeübt wird, diente ursprünglich dazu, die Bewohner der Stadt vor Gefahren zu warnen; heute ist das Turmblasen vor allem eine Touristen-Attraktion.
Als Zentrum des Katholizismus war Münster stets auch ein Ort der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Glauben. Vor allem die katholisch-theologische Fakultät der Westfälischen-Wilhelms-Universität hat in ihrer Geschichte zahlreiche große Namen beherbergt. Unter anderem lehrten hier Karl Rahner, Walter Kasper und Joseph Ratzinger. Der spätere Papst Benedikt XVI., zu dessen Vorlesungen Mitte der 1960er-Jahre hunderte Studierende strömten, bewegte sich in der Stadt meist standesgemäß fort - per Fahrrad. Denn auch das ist Münster: eine Fahrradstadt.
Auch Thiel, Boerne und Wilsberg kamen im Laufe ihrer Ermittlungen übrigens nicht am Faktor Kirche vorbei: Im "Tatort: Mörderspiele" und der Wilsberg-Folge "Die Wiedertäufer" spielt die Lambertikirche mit ihren Eisenkäfigen eine zentrale Rolle. Und im "Tatort: Tempelräuber" wird der Regens des (fiktiven) Priesterseminars ermordet. Im realen Seminar, dem Borromaeum , geht es hoffentlich weniger rabiat zu. Denn hier, gegenüber dem St.-Paulus-Dom, finden bei der Vollversammlung die Beratungen der Bischöfe und Weihbischöfe statt.