Erbauer von rund 60 Kirchen

Architekt Gottfried Böhm mit 101 Jahren gestorben

Veröffentlicht am 10.06.2021 um 09:19 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Rund 60 Kirchen hat er geschaffen – und viele andere Bauten. Dabei waren seine Werke nicht unumstritten. Nun ist Gottfried Böhm, einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, im hohen Alter von 101 Jahren gestorben.

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Der international renommierte Architekt Gottfried Böhm ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 101 Jahren, wie das Architekturbüro Paul Böhm am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln bestätigte. Böhm schuf Architektur-Ikonen wie die Wallfahrtskirche im rheinischen Neviges, ein Kinderdorf, das Potsdamer Theater oder die Stadtbibliothek Ulm. Typisch für seine Bauten aus Beton, Stahl und Glas sind eine kühne Statik mit Hängedächern, Kuben, Zylindern oder Kegeln. 1986 erhielt Böhm als erster Deutscher den amerikanischen Pritzker-Preis, der als "Nobelpreis für Baukunst" gilt.

Böhm wurde am 23. Januar 1920 in Offenbach am Main als Sohn des Architekten Dominikus Böhm geboren. Sein erster eigenständiger Bau war die Kapelle "Madonna in den Trümmern", die 1947 bis 1950 in der Ruine der Kölner Pfarrkirche Sankt Kolumba errichtet wurde. Heute ist sie in das 2007 eröffnete Kölner Diözesanmuseum Kolumba integriert.

Böhms bedeutendstes Werk

Als Böhms bedeutendstes Werk gilt die Wallfahrtskirche in Neviges. Neben rund 60 Kirchen plante er auch viele Wohn-, Geschäfts- und Rathäuser, Verwaltungszentren, Theater und Bürobauten, darunter die WDR-Arkaden in Köln, sowie das Kinderdorf im Stadtteil Bensberg von Bergisch Gladbach. Der Architekt war auch für die Wiederherstellung und Renovierung der Dome von Trier und Eichstätt verantwortlich. Zu seinen jüngeren Objekten zählt die Stadtbibliothek in Ulm in Form einer gläsernen Pyramide und das Hans Otto Theater in Potsdam.

Experten, die in seinen wuchtigen Betonbauten eine brutalistische Architektur sehen, widersprach Böhm. Er wolle doch nicht als brutaler Mensch gelten, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zu seinem 100. Geburtstag. "Nur weil ich Beton verwende? Sind Kirchen in Granit dann auch brutalistisch?" Ihm gehe es darum, dass seine Bauten "innen drin und auch außen Wärme ausstrahlen".

Als "einen der bedeutendsten Architekten der Nachkriegszeit" würdigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Verstorbenen. Mit seiner typischen Verbindung von Tradition und Moderne bleibe Böhm gleich für mehrere Architektengenerationen "ein ewiges Vorbild".

Kardinal Woelki: "Tief empfundene Trauer"

"In seiner langen beruflichen Schaffensphase von der deutschen Nachkriegszeit bis hin in die wirtschaftliche Hochphase der Bundesrepublik hat er das Erscheinungsbild unzähliger Gemeinden und Städte bei uns im Land nachhaltig beeinflusst", erklärte Laschet. Der Verstorbene hinterlasse mit seinen Bauten "ein für uns alle sichtbares und beeindruckendes Lebenswerk". Nicht nur über die mitunter auch heute noch kontrovers diskutierten Gebäude werde Böhms Vermächtnis weiterleben, sondern auch über die Fortführung, Weiterentwicklung und Neuschaffungen der nächsten Generation der Architektenfamilie Böhm.

Der CDU-Bundesvorsitzende verwies auf den Mariendom in Neviges, der als einer der wichtigsten Werke der nahezu 70 Kirchenbauten Böhms gewertet wird. Zudem habe der Architekt, der als erster Deutscher den renommierten Pritzker-Preis erhielt, insbesondere ab den 1970er-Jahren auch Theater, Museen, Rathäuser und weitere öffentliche Bauwerke geschaffen.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bekundete "tief empfundene Trauer" über den Tod Böhms. Nach den Worten Woelkis hat Böhm den zeitgenössischen Kirchenbau im Erzbistum Köln über viele Jahrzehnte mitgeprägt. "Er ließ Bauwerke entstehen, die uns einladen, lebendige Kirche zu sein in der Welt von heute." Weit über die Erzdiözese hinaus habe er mit seiner herausragenden Architektur Maßstäbe gesetzt.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) würdigte Böhm als einen der "bedeutendsten Gestalter der gesamten Kirchenbaugeschichte". Er sei ein Meister "gebauter Theologie" gewesen, "weil seine Kirchenentwürfe aus der persönlichen Mitfeier der Liturgie schöpften", erklärte der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing. (rom/KNA)

10.6., 14:50 Uhr: Ergänzt um Äußerungen von Laschet und Woelki. 11.6., 8:45 Uhr: Ergänzt um Bätzing.