Kardinal Hollerich: Papst-Antwort an Marx ist "fantastisch"
Mehrere Bischöfe haben inzwischen auf die Antwort von Papst Franziskus an Kardinal Reinhard Marx nach dessen Rücktrittsangebot reagiert. Nach Aussage des Luxemburger Erzbischofs, Kardinal Jean-Claude Hollerich, sei ist das Schreiben ein "fantastischer Brief". Der Papst sage damit "der Kirche, wie man mit Missbrauch umgehen soll: nichts beschönigen, nichts entschuldigen, sich dem Dreck - was der Missbrauch ist - stellen und demütig den Weg in die Zukunft einschlagen", sagte Hollerich im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in Rom.
Die Nachricht vom Rücktrittsangebot des Münchner Erzbischofs habe ihn "sehr betroffen gemacht", so Hollerich weiter. Als sein Vorgänger im Vorsitz der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft COMECE sei Marx "ein Mann, den ich sehr schätze und von dem ich viel gelernt habe". Das Papstschreiben vom Donnerstag ist nach Ansicht des Luxemburger Erzbischofs einerseits sehr persönlich an Marx adressiert. Andererseits sei es an die Kirche in Deutschland gerichtet. "Aus dem Brief", so Hollerich, "spricht ein Hirte, der nicht groß den Weg weist", sondern jemand, "der die Sache aus eigener Erfahrung in der Nachfolge Christi versteht und bittet weiterzumachen und neue Perspektiven zu eröffnen".
Marx hatte dem Papst am 21. Mai seinen Rücktritt angeboten und dies am 4. Juni öffentlich gemacht. Die Nachricht sorgte weltweit für Aufsehen und auch Fragen. In seinem Brief an den Papst schrieb Marx: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten." Untersuchungen und Gutachten der vergangenen zehn Jahre zeigten, dass es neben viel persönlichem "auch institutionelles oder systemisches Versagen" gegeben habe.
Ackermann ist erleichtert
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann begrüßte die Entscheidung des Papstes, das Rücktrittsgesuch von Marx abzulehnen. "Ich bin erleichtert über die zügige Antwort von Papst Franziskus. Sie unterstreicht die Reformbedürftigkeit der Kirche und ist zugleich eine Rückendeckung für Kardinal Marx", schrieb Ackermann auf Facebook und Twitter. Ackermann ist auch Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Marx war Trierer Bischof von 2002 bis 2008.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier sieht im Papst-Brief an Marx "ein Zeichen der herzlichen Beziehung" zwischen den beiden. "Darauf wird der Kardinal in seinem weiteren Wirken bauen können", so Meier in einem am Freitag auf der Homepage seines Bistums veröffentlichten Statement. In dem Schreiben würden auch grundsätzliche Anliegen des Papstes deutlich, ergänzt Meier. "Aufklärung und Aufarbeitung des Missbrauchs, das Schuldbekenntnis begangener Fehler, die Notwendigkeit einer geistlichen Reform von Jesus her und nicht einer Reformation, die 'Ideologen der Reform' wünschen."
Interessant sei, was der Papst nicht sage: "Obwohl er synodale Prozesse in allen Ortskirchen will, verliert er kein Wort über den Synodalen Weg", also die aktuelle Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland. "Sein Anliegen ist eine spirituelle Erneuerung, die sich der Krise stellt, aber sich nicht in Konflikten verausgabt." Franziskus rede auch nicht vom "toten Punkt", sondern vom "Keim der Hoffnung", der in der Krise stecke. "Krise heißt für ihn auch, sich der Wüste auszusetzen."
"Pastorale Piste für alle Hirten in Deutschland"
An diesen Gedanken, so Meier weiter, könne sich jeder Bischof "in dieser delikaten Zeit ausrichten und mit Franziskus die ernste Frage stellen: 'Was muss ich angesichts dieser Katastrophe tun?'" So gesehen, scheine der Brief wohl an Marx adressiert zu sein, "doch eigentlich zeigt er eine pastorale Piste für alle Hirten in Deutschland auf", meint Meier. "Mit seinem Schreiben will der Papst uns als Bruder im Glauben stärken und gleichzeitig einladen, innezuhalten, nicht vor der Verantwortung zu fliehen und verfügbar zu bleiben. Der Papst - ganz ignatianisch - schreibt hier fast wie ein geistlicher Begleiter, der uns zu Exerzitien einlädt."
Zuvor hatte sich bereits die DBK geäußert. "Bischof Bätzing ist erleichtert, dass Kardinal Marx weiter im Amt ist und freut sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit", teilte DBK-Sprecher Matthias Kopp am Donnerstag mit. "Der nächste Ständige Rat ist der Ort, wo die Bischöfe über die Gesamtlage der Kirche in Deutschland sprechen werden."
Marx selbst erklärte: "Die Antwort des Heiligen Vaters hat mich überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell reagieren würde und auch seine Entscheidung, dass ich meinen Dienst als Erzbischof von München und Freising weiter fortführen soll, habe ich so nicht erwartet." Er sei bewegt über die Ausführlichkeit und den "sehr brüderlichen Ton" des Briefes von Franziskus und spüre, "wie sehr er mein Anliegen versteht und aufgenommen hat. Im Gehorsam akzeptiere ich seine Entscheidung, so wie ich es ihm versprochen habe". (tmg/KNA)
11.6., 15:10 Uhr: Ergänzt um Meier.