Standpunkt

Nach "totem Punkt": Reden wir über die "Wendepunkte" in der Kirche

Veröffentlicht am 15.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Kirche ist nicht erst seit dem Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx an einem toten Punkt, an dem es so nicht mehr weitergeht, meint Agathe Lukassek. Sie wirft den Blick nach vorne auf Menschen, die die Zukunft der Kirche gestalten.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

In den vergangenen zwei Wochen wurde kaum etwas so viel diskutiert, wie die Äußerung von Kardinal Reinhard Marx, die Kirche sei "an einem gewissen 'toten Punkt'". Der Rest des Satzes ging dabei fast immer unter. In seinem Rücktrittsgesuch hieß es nach dem toten Punkt weiter "der aber auch, das ist meine österliche Hoffnung, zu einem 'Wendepunkt' werden kann". Wenn die katholische Kirche an einem oder mehreren toten Punkten angekommen ist, dann ist sie das nicht erst seit gestern. Und die Wendepunkte gibt es auch, sie sind bereits sichtbar, werden gelebt und verändern die Kirche.

Beispiele gefällig? Vergangene Woche sprach die Vorsitzende des Hildegardis-Vereins, Charlotte Kreuter-Kirchhof, davon, dass es viele Orte des Aufbruchs brauche, an denen Menschen den Blick nach vorne richten, um die Zukunft der Kirche zu gestalten. Sie nannte die Onlineberatung für suizidgefährdete Jugendliche des Bonifatiuswerks, das Kloster Oberzell bei Würzburg, die Predigt-Aktion "Frauen verkünden das Wort" und das Mentoring-Programm des Hildegardis-Vereins für mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen.

Für mich war der Wendepunkt greifbar, als rund um den 10. Mai in 110 Gottesdiensten Liebende gesegnet wurden, seien sie kirchlich verheiratet, in zweiter Ehe oder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Die online übertragene Segnungsfeier der Initiative "Liebe gewinnt" aus Hamm war berührend und zeigte: Hier wendet sich die Kirche den Menschen hin. Auch beim Synodalen Weg gibt es diese Bewegung hin zu den Menschen. Da kommen (endlich!) Betroffene von sexueller Gewalt zu Wort. Da ist mit Mara Klein eine nichtbinäre Person dabei, die die Kirche immer wieder daran erinnert, dass die Rede von ausschließlich Männern und Frauen viele Menschen ausschließt.

Und zu guter Letzt: Der Papst hat den Rücktritt von Kardinal Marx abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, welche Wendepunkte und Weckrufe diese Entscheidung für das Erzbistum München bringen wird, wenn der Kardinal nun doch weitermachen soll – wahrscheinlich anders als bisher.

Von Agathe Lukassek

Die Autorin

Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.