Am 29. Juni 2001 wurde der Botschaftsneubau eingeweiht

Der Nuntius in Neukölln: 20 Jahre Apostolische Nuntiatur in Berlin

Veröffentlicht am 29.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Als Parlament und Regierung zur Jahrtausendwende ihren Sitz von Bonn nach Berlin verlegten, folgten ihnen auch über 150 Botschaften ausländischer Staaten – darunter die Apostolische Nuntiatur. Die Botschaft des Heiligen Stuhls zog damals in einen Neubau in Berlin-Neukölln. Ein Blick zurück.

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Als der Bundestag am 20. Juni 1991 mit knapper Mehrheit beschloss, infolge der Wiedervereinigung seinen Sitz von Bonn nach Berlin zu verlegen, stimmten die Abgeordneten damit nicht nur über ihr eigenes Schicksal ab. Auch für die Bundesregierung und ein Heer von Beamten, Journalisten und Lobbyisten hatte der Beschluss den Umzug vom Rhein an die Spree zur Folge – sowie für über 150 Botschaften ausländischer Staaten, die ebenfalls umziehen mussten. Zu den diplomatischen Vertretungen, die schließlich rund um die Jahrtausendwende nach Berlin zogen, gehörte auch die Apostolische Nuntiatur, die Botschaft des Heiligen Stuhls. Heute vor 20 Jahren, am 29. Juni 2001, wurde das neu errichtete Gebäude der Nuntiatur in Berlin eingeweiht.

Während sich die meisten anderen Botschaften damals im traditionellen Botschaftsviertel südlich des Tiergartens sowie rund um den Gendarmenmarkt niederließen, zog die Nuntiatur – manche sagen: ausgerechnet – als einzige Vertretung eines ausländischen Staates in den berühmt-berüchtigten Multikulti-Bezirk Neukölln. Allerdings: Von der eher gediegenen Lilienthalstraße am nordwestlichen Rand des Bezirks, in der sich die Botschaft des Heiligen Stuhls damals ansiedelte, ist das ganz harte Neuköllner Pflaster rund um Hermannstraße und Sonnenallee noch einen guten Kilometer entfernt.

Die Einweihung geriet zum Gipfeltreffen von Kirche und Politik

Ausschlaggebend für die Standortwahl war die Tatsache, dass das ursprüngliche Grundstück der Nuntiatur am Tiergarten, wo sie von 1925 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs residiert hatte, 1975 dem damaligen Bistum Berlin überlassen und von diesem 1981 an das Land verkauft worden war. Eine Rückkehr an den alten Standort war also nicht möglich. Allerdings hatte sich das Bistum gegenüber dem Heiligen Stuhl verpflichtet, für den Fall, dass die Nuntiatur wieder einen Dienstsitz in Berlin einrichten wolle, ein angemessenes Grundstück als Ersatz zur Verfügung zu stellen. Und dieses fand man 1997 schließlich in der Lilienthalstraße.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano (l.) und Altbundeskanzler Helmut Kohl am 29. Juni 2001 bei der Einweihung der neuen Nuntiatur in Berlin.

Ursprünglich sollte die Nuntiatur den vom Münsteraner Architekten Dieter-Georg Baumewerd entworfenen Neubau bereits 1999 beziehen. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch, weil eine Bürgerinitiative in der Nachbarschaft Bedenken gegen die Arbeiten anmeldete. Konkret wandte sich die Initiative mit den Argumenten gegen den Bau, dieser bringe Nachteile für die Anwohner mit sich und beeinträchtige den ökologischen Wert des benachbarten Volksparks Hasenheide. Einen Antrag auf Baustopp wies das Verwaltungsgericht Berlin im August 1999 allerdings ab, sodass schließlich einen Monat später in Anwesenheit des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, und des Berliner Erzbischofs Georg Sterzinsky der Grundstein für den Bau gelegt werden konnte.

Die Einweihung des Gebäudes knapp zwei Jahre darauf geriet dann zum Gipfeltreffen von Kirche und Politik: Neben Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, Nuntius Giovanni Lajolo und Kardinal Lehmann nahmen an dem Festakt unter anderem auch Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU), die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Berlins damals frisch ins Amt gekommener Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) teil.

Sodano hob in seiner Ansprache hervor, dass sich die Verlegung der Nuntiatur in die Logik der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland einfüge. "Im Rahmen des Einigungsprozesses wurde den tragenden Strukturen das Siegel der Endgültigkeit aufgedrückt", so der Kardinalstaatssekretär. Zudem unterstrich er die besondere Verbundenheit des Heiligen Stuhls mit Deutschland. So sei Papst Pius XII. (1939-1958), der selbst von 1917 bis 1929 Nuntius in Deutschland war, "bekannt für seine Verbundenheit mit der Kirche in Deutschland und dem ganzen deutschen Volk". Er habe sich nach der "ungeheuren Katastrophe des Zweiten Weltkriegs" dafür eingesetzt, dass das deutsche Volk unter den Völkern der freien Welt wieder "den Platz einnehmen konnte, der ihm zukam". Auch Papst Johannes Paul II. (1978-2005) habe viele Gelegenheiten genutzt, seine Verbundenheit mit Deutschland zu zeigen, so Sodano weiter.

Vatikan-Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin im Porträt
Bild: ©KNA

Weilt zum Jubiläum der Nuntiatur in Berlin: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

Kardinal Lehmann wertete die Verlegung der Nuntiatur nach Berlin als ein Zeichen der Wertschätzung Deutschlands durch den Apostolischen Stuhl. Es sei "gut für die Katholiken, dass die Kirche in dieser Stadt durch ein Erzbistum mit einem Kardinal, aber auch durch den Vertreter des Heiligen Vaters vor Ort" repräsentiert sei. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Giovanni Lajolo, wiederum bezeichnete sein neues Dienstgebäude als "Haus der Nähe zum Volk und des Dialogs mit allen Menschen – auch mit denen anderer Religionen und Kulturen". Lajolo dankte zudem den deutschen Bischöfen für ihre "großzügige finanzielle Unterstützung". Über den Verband der deutschen Diözesen hatten diese die Baukosten für die Nuntiatur in Höhe von 15 Millionen Mark getragen.

Zum Jubiläum: Besuch von Kardinalstaatssekretär Parolin

Der Bau selbst besteht aus zwei rechtwinklig miteinander verbundenen Baukörpern mit einer Fassade aus hellem Naturstein. Auf einer Grundfläche von 1.500 Quadratmetern und vier Etagen sind die Kanzlei des Nuntius, Repräsentationsräume, eine zweigeschossige Empfangshalle, ein Archiv sowie Wohnräume untergebracht. Schmuckstück des Gebäudes ist die Kapelle, deren Altarraum von dem Bildhauer Johannes Niemeier gestaltet wurde. Besonders geprägt wird der Raum durch 18 farbige Fenster mit Darstellungen biblischer Figuren. Ein Hingucker ist zudem die Einbindung der benachbarten neoromanischen St.-Johannes-Basilika, der größten katholischen Kirche Berlins. Deren Querschiff ist über die verglaste Wand der Empfangshalle der Nuntiatur mit dem Botschaftsbau optisch verbunden.

Pünktlich zum Jubiläum der Berliner Nuntiatur reist an diesem Dienstag der amtierende Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin an. Offizieller Anlass für den Besuch der "Nummer zwei" des Vatikan in Berlin ist zwar der 100. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland (der eigentlich schon im vergangenen Jahr war, aber aufgrund der Corona-Pandemie erst jetzt begangen werden kann). Quasi nebenbei kann Parolin bei seinem Besuch somit aber auch den 20. Geburtstag des Berliner Botschaftsgebäudes mitfeiern.

Von Steffen Zimmermann

Die bisherigen Apostolischen Nuntien in Deutschland

  • 1917-1929: Eugenio Pacelli (Italiener), der spätere Papst Pius XII. (1939-1958)
  • 1930-1945: Cesare Orsenigo (Italiener)
  • 1949-1959: Aloysius Muench (US-Amerikaner)
  • 1960-1975: Corrado Bafile (Italiener)
  • 1975-1984: Guido Del Mestri (Italiener)
  • 1984-1991: Josef Uhac (Kroate)
  • 1991-1995: Lajos Kada (Ungar)
  • 1995-2003: Giovanni Lajolo (Italiener)
  • 2003-2007: Erwin Josef Ender (Deutscher)
  • 2007-2013: Jean-Claude Perisset (Schweizer)
  • seit 2013: Nikola Eterovic (Kroate)