Abstimmung über "Ehe für alle" in der Schweiz findet im September statt

Churer Bischof: Brauchen vielleicht neuen Begriff für biblische Ehe

Veröffentlicht am 06.07.2021 um 16:41 Uhr – Lesedauer: 

Zürich ‐ Die Schweiz stimmt bald über die Einführung der "Ehe für alle" ab. Kommt sie, brauche die Kirche eventuell einen neuen Begriff für das, was sie unter Ehe versteht, meint der Churer Bischof Joseph Bonnemain – um die Unterschiede deutlich zu machen.

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Der Churer Bischof Joseph Bonnemain hat den Vorschlag geäußert, die aus der Bibel abgeleitete Ehe zwischen Mann und Frau eventuell neu zu benennen, sollten die Schweizer für die Einführung der "Ehe für alle" stimmen. "Zum Beispiel als 'Liebe für immer' oder 'Bio-Ehe'", sagte Bonnemain im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" (Montag online). Auf biblischer Grundlage werde mit dem Begriff Ehe eine bestimmte Art der Partnerschaft bezeichnet, nämlich eine lebenslange, treue, für das Leben offene Verbindung zwischen Mann und Frau. "Andere zwischenmenschliche Beziehungen haben auch einen Wert und vermitteln den Menschen Geborgenheit, aber sie sind nicht dasselbe wie eine Ehe." Aus diesem Grund wünsche er sich auch, dass die Mehrheit der Schweizer bei der geplanten Volksabstimmung am 26. September die "Ehe Für alle" ablehnt, betonte Bonnemain.

Er habe "nicht wenige" Freunde, darunter auch Priester, die homosexuell seien, so der Bischof weiter. "Wer in der Kirche des 21. Jahrhunderts lebt und wirkt, kann sich dieser Realität nicht verschließen." Die Kirche habe an sich kein Problem mit gleichgeschlechtlichen Neigungen. Auch bei der kirchlichen Ablehnung der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gehe es nicht in erster Linie um deren Homosexualität, unterstrich Bonnemain. Die Kirche betrachte die Sexualität als eine Gabe Gottes. Es sei allerdings ihre Überzeugung, dass die Sexualität den Menschen dann ganz erfülle, wenn sie in der Ehe stattfinde.

Zur priesterlichen Ehelosigkeit sagte Bonnemain, dass er sich bei diesem Thema eine Änderung wünsche. Es sei auch absehbar, dass es dazu kommen werde. "Aber es braucht Geduld. Die Kirche entwickelt sich langsam." Beim Zölibat gehe es nicht darum, sich die Komplikationen einer Partnerschaft zu ersparen, sondern darum "uneingeschränkt verfügbar zu sein für eine Partnerschaft mit allen Menschen in seiner Gemeinde".

Frage der Ämter für Frauen nicht Nebensache

Eine Öffnung der sakralen Ämter für Frauen befürworte er nur dann, wenn sich die ganze Kirche bewege und alle mitnehme, so Bonnemain. Es handle sich dabei nämlich nicht um eine Nebensächlichkeit. "Es geht um das Fundament der Kirche, die Ekklesiologie, um die Nachfolge der Apostel und die Frage, wer sakramentale Vollmachten erhält." Der Churer Bischof sagte, er könne verstehen, dass Frauen sich in der Kirche herabgesetzt fühlten, und leide mit ihnen mit.

Der Idealvorstellung vieler konservativen Christen, wonach die Kirche in Zukunft eine kleine Herde Strenggläubiger sein solle, erteilte Bonnemain eine klare Absage. Eine solche Kirche, "ohne Offenheit und Kontakt zu anderen Menschen", wäre seiner Meinung nach zum Tode verurteilt. "Das wäre Inzucht und deswegen nicht fruchtbar."

Zu seiner Mitte Februar von Papst Franziskus vorgenommenen Ernennung zum Bischof von Chur sagte Bonnemain, er habe bis zuletzt gehofft, "dass der Kelch an mir vorbeigeht". Er sei zunächst zu dem Entschluss gekommen, dass es für ihn das Vernünftigste wäre, abzulehnen. "Aber dann wurde mir bewusst, dass die Gläubigen in der Diözese seit über zwei Jahren auf einen Bischof warten. Eine Absage konnte ich ihnen nicht antun." Das Bistum Chur gilt seit Jahrzehnten als gespalten. Die Amtsführung der konservativen Bischöfe Wolfgang Haas (1990-1997) und Vitus Huonder (2007-2019) polarisierte die Schweizer Kirche über die Bistumsgrenzen hinaus. Beobachter sehen Bonnemains Hauptaufgabe darin, die innerdiözesanen Konflikte zu entschärfen. (mal)