Eine antijüdische Statue im Bamberger Dom sorgt für Diskussionen
Sie ist jung, sie ist schön, sie gilt als Höhepunkt der deutschen Bildhauerei im Hochmittelalter. Anmutig lächelt sie die Besucher des Bamberger Doms an - seit nunmehr fast 800 Jahren. Doch sie steht für eine verheerende Botschaft: Synagoga verkörpert mit ihrer Augenbinde und den zerbrochenen Gesetzestafeln eine Religion, die aus Sicht der christlichen Kirche abgewirtschaftet hat, vom Teufel verführt, der Verdammung preisgegeben.
Die Diskussion um den Umgang mit solchen antijüdischen Darstellungen ist nicht neu. Wegen der besonders drastischen Schmähfiguren der sogenannten Judensäue, zu finden an Kirchen- und Hauswänden in ganz Deutschland, wurden schon Gerichtsprozesse geführt.
In Bamberg hat ein Kirchenmann im vergangenen Jahr einen neuen Impuls gesetzt: Der Weltanschauungsbeauftragte des Erzbistums, Hans Markus Horst, plädierte in einem Vortrag zur "Woche der Brüderlichkeit" dafür, die umstrittene Synagoga aus dem Dom zu entfernen und mit ihrer Gegenfigur, der siegreich gekrönten Ecclesia, ins Diözesanmuseum zu verlegen. Das Domkapitel als Eigentümer der Kathedrale hat das abgelehnt.
Synagoga als "Stein des Anstoßes"
Seit Jahresbeginn gibt es in der oberfränkischen Bischofsstadt einen Runden Tisch zu solchen Fragen, am Mittwochabend fand eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion in der Universität statt. Es war, so viel lässt sich sagen, nicht die letzte Debatte zum Thema.
Erzbischof Ludwig Schick plädierte dafür, die Figuren an ihrem Standort zu belassen. Ziel müsse aber sein, den Betrachter dahin zu führen, "dass jeder Antisemitismus verurteilt wird". Wie das geschehen könnte, darüber müsse man freilich noch nachdenken. Für Schick jedenfalls ist die Figur ein "Stein des Anstoßes", der bleiben und jedem, der sie anschaut, "die Schamesröte ins Gesicht treiben" sollte.
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Nun zeigen allerdings die Erfahrungen von Domführungen, dass dieses Bildprogramm mit seiner furchtbaren Botschaft heute von den wenigsten noch erkannt, geschweige denn verstanden wird.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, es müsse eine "sehr klare und eindeutige Beschriftung" geben. "Ein QR-Code oder ein kleines Täfelchen, das man erst sieht, wenn man ums Eck geht, genügt mir nicht."
Am schärfsten formulierte die Judaistin Susanne Talabardon: Die Figurengruppe sei "das getreue Abbild der christlich-jüdischen Beziehungen vom 4. bis zum 20. Jahrhundert". Die triumphierende Kirche stehe einer "gedemütigten Minderheit" gegenüber. Die Synagoge mit dem Teufel darunter, das sei theologisch das Niveau der "Bild"-Zeitung. "Das ist so harsch, da reicht es nicht, den Erklärbär zu spielen." Die katholische Kirche müsse sich bekennen: "Wir glauben nicht, dass Juden verblendet und vom Teufel verführt sind."
Ein modernes Kontrast-Kunstwerk?
Die Wissenschaftlerin schlug vor, sozusagen als Korrektiv eine weitere Figur in Auftrag zu geben, um zu veranschaulichen, wie die Kirche die Synagoge heute sieht. Dafür gibt es bereits Vorbilder: Vor dem evangelischen Landeskirchenamt in Hannover hat der belgische Künstler Johan Tahon 2017 Kirche und Synagoge in einer Bronzeplastik als Zwillingsschwestern dargestellt. Auch in Straßburg, wo es ebenfalls eine solche historische Figurengruppe im Münster gibt, wird über diese Lösung nachgedacht.
Die Idee eines modernen Kontrast-Kunstwerks wird, das zeigten mehrere zustimmende Reaktionen in der Debatte, auch in Bamberg weiter ventiliert werden. Daneben gab es die Anregung, Bilder des Holocaust in den Dom zu holen, "um zu dokumentieren, wohin das geführt hat".
Ein Teilnehmer regte eine künstlerische Intervention an. "Man könnte ja mal temporär die Namen der beiden Figuren vertauschen. Dann würden vielleicht manche Zeitgenossen ihre momentane Erfahrung von Kirche darin wiedererkennen." Eine Kirche, der etwas aus der Hand gerutscht ist, die nicht sehen wollte, was in ihr passiert...