Wer, was, wie viel?
Worum geht es?
Das interdisziplinäre Forschungsverbundprojekt "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" soll den Missbrauch in der Kirche von mehreren Seiten wissenschaftlich aufarbeiten. In neun Bistümern werden die Personalakten von 1945 bis heute untersucht, in 18 Bistümern von 2000 an bis heute. Ein 2011 begonnenes Forschungsprojekt um den Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer hatten die Bischöfe wegen Meinungsverschiedenheiten Anfang 2013 aufgekündigt.
Wer arbeitet daran?
Es handelt sich um sieben Professoren aus verschiedenen Bereichen: Beteiligt ist das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim mit dem Arzt Harald Dreßing, der Verbundkoordinator des Projekts ist, und dem Psychiater Hans-Joachim Salize. Weiter sind das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg mit dem Strafrechtler Dieter Dölling und dem Soziologen Dieter Hermann dabei sowie das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg mit dem Alterswissenschaftler Andreas Kruse und dem Psychologen Eric Schmitt. Vom Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen ist die Strafrechtlerin Britta Bannenberg Mitglied im Forschungskonsortium.
Was sind die Besonderheiten?
Laut Dreßing handelt es sich um ein "Meilensteinprojekt", das es weltweit noch nicht gab. Anders als beim abgebrochenen Vorgängerprojekt sollen nun verschiedene Aspekte des Missbrauchs einzeln beleuchtet und die Ergebnisse dann zusammengeführt werden. Zu den sechs Teilprojekten gehören eine Erfassung der Datenlage und biografische Analysen, die in Form von Tiefeninterviews mit 100 Opfern und 70 Tätern entstehen sollen. Außerdem soll es einen Vergleich mit Missbrauch in anderen Institutionen geben und mit weiteren Studienergebnissen, etwa in Irland, den USA und im Kloster Ettal.
Was ist das Ziel?
Es geht darum, Daten zur Auftretenshäufigkeit und zum Umgang der Kirche mit Missbrauch zu erfassen. Ziel sei es, spezielle Strukturen und Dynamiken in der Kirche zu erkennen, die möglicherweise zu Missbrauch geführt haben, sagte Dreßing bei der Vorsellung des Forschungsprojekts. Nur wenn man verstehe, könne man vorbeugende Maßnahmen anbieten. Die Studie habe nicht das Ziel, bei den Opfern etwas wiedergutzumachen, denn dies sei nicht möglich, sagte der Leiter des Forschungskonsortiums. Auch Geld sei keine Wiedergutmachung, sondern lediglich materielle Anerkennung erlittenen Leids.
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Beim Vorgängerprojekt mit Pfeiffer kritisierte etwa das "Netzwerk katholischer Priester" fehlenden Datenschutz. Am Montag betonte Ackermann , dass das aufgenommene Rohmaterial der Interviews mit Tätern und Betroffenen "nicht wandern" und nicht für andere Studien verwendet werde. Er betonte, dass die Forschungen mit dem staatlichen und dem Kirchenrecht konform gehen müssten.
Wie lange dauert das Projekt und wieviel kostet es?
Es ist auf dreieinhalb Jahre angelegt, von Sommer 2014 bis Ende 2017. Für nächstes Jahr sind ausführliche Interviews mit Tätern und Opfern geplant, im letzten Jahr sollen hauptsächlich die Daten im Hinblick auf Vorbeugung von neuen Taten ausgewertet werden. Nach Angaben von Dreßing beläuft sich das Budget auf knapp unter einer Million Euro. Das Projekt werde völlig unabhängig durchgeführt und die Wissenschaftler wollen das publizieren, was sie herausfinden, so der Koordinator. Publikationen sollen unter dem Namen des Konsortiums erscheinen und nicht unter dem Label der Bischofskonferenz, betonte Ackermann.
Von Agathe Lukassek