Brehm: Gotisches Münster fasziniert weit über Kirche hinaus
An diesem Donnerstag tritt Anne-Christine Brehm ihr Amt als Freiburger Münsterbaumeisterin an. Im Interview erläutert die Architektin und Bauhistorikerin ihre ersten Ziele und erklärt, warum traditionelles Handwerk manchmal modernster Technik überlegen ist.
Frage: Wie fühlen Sie sich als neue Münsterbaumeisterin?
Brehm: Ich komme mit sehr großer Vorfreude ans Freiburger Münster und empfinde es als Privileg, für ein bedeutendes und beeindruckendes Bauwerk arbeiten zu dürfen. Dabei trete ich natürlich nicht als Einzelkämpferin an, sondern kann mich auf ein sehr gut aufgestelltes, fähiges Team verlassen.
Frage: Der Erhalt und die kontinuierliche Restaurierung großer Kathedralen ist eine Mammutaufgabe, auch was die Finanzierung durch öffentliche und kirchliche Mittel angeht. Wie ist Freiburg hier aufgestellt?
Brehm: Die langfristige Finanzierung der Erhaltungsmaßnahmen sicherzustellen, bleibt eine wichtige Aufgabe. Beeindruckend ist, wie stark sich viele Menschen in der Stadt Freiburg mit "ihrem" Münster und ihrem städtischen Wahrzeichen identifizieren. Das ist eine sehr wichtige Basis.
„Das Münster zieht auch Menschen an, die keine Verbindung zur Kirche haben.“
Frage: Zugleich wenden sich derzeit viele von den Kirchen ab...
Brehm: ... aber dennoch vermindert das offenbar nicht die enorme Faszination für die mittelalterlichen Meisterwerke. Das Münster zieht auch Menschen an, die keine Verbindung zur Kirche haben. Zugleich hoffe ich eindringlich, dass die Lebendigkeit des Münsters als Ort des Gottesdienstes und des Gebets erhalten bleibt. Für diese Zwecke ist es gebaut und über die Jahrhunderte genutzt worden.
Frage: Wie wichtig ist, dass die Unesco das Münsterbauhüttenwesen als immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet hat?
Brehm: Es ist eine hohe Wertschätzung für die Arbeit und Tradition der Münster- und Dombauhütten. Es lenkt hoffentlich auch die öffentliche Aufmerksamkeit auf das, was hier geleistet wurde und wird.
Frage: Wie stark verändern sich die Traditionen und Arbeiten durch moderne Technik, wenn beispielsweise per Drohne 3D-Modelle berechnet werden und Computer Skulpturen und Steine millimetergenau bearbeiten?
Brehm: Wichtig ist, neuen Techniken aufgeschlossen zu begegnen. Gleichzeitig plädiere ich für eine sorgsame Abwägung. Zum Beispiel müssen wir sicherstellen, dass neue Methoden tatsächlich auch die hohen Ansprüche an jahrzehntelange Haltbarkeit erfüllen.
Bei der Steinbearbeitung halte ich es nicht für sinnvoll, alles, was technisch möglich ist, auch zu nutzen. Zum Beispiel wurden bei der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses Steine und Bauteile automatisiert gefräst und nur noch die letzte Oberflächenbearbeitung von Hand durchgeführt. Das sehe ich durchaus kritisch. Die Lebendigkeit und der Charakter eines mittelalterlichen Steingebäudes leben enorm von der individuellen Handwerkskunst der Steinmetze.
Frage: Welche Projekte wollen Sie nach ihrem Amtsantritt Mitte Juli zuerst anpacken?
Brehm: Das Münster gibt die Projekte vor. Alle Bauteile werden mindestens einmal jährlich nach Schwachstellen abgesucht. Das Sichern und Ersetzen schadhafter Bauteile sind Langzeitprojekte, daher übernehme ich zunächst bereits begonnene Projekte wie die Erneuerung der Strebepfeileraufsätze am Münsterchor. Auch am Turm werden kleinere Arbeiten unterhalb des Turmhelms anstehen. Ich bin schon sehr gespannt darauf, welche neuen Projekte hinzukommen. Mein Ziel bleibt dabei, möglichst viel mittelalterliche Bausubstanz zu erhalten.
Frage: Und im Bereich der Forschung?
Brehm: An einem komplexen und detailreichen Bauwerk wie dem Freiburger Münster geht die Forschungsarbeit nie aus. Lohnend und spannend wäre es, sich das Freiburger Bauhüttenbuch genauer anzuschauen. Darin ist ab dem späten 16. Jahrhundert verzeichnet, wer am Münster gearbeitet hat. Wir könnten beispielsweise erfahren, wie eng die Kooperationen und der Ideenaustausch mit anderen Bauhütten waren. Was ich persönlich gerne erforschen würde, sind historische Baurezepturen, wie sie der spätmittelalterliche Steinmetz Hans Hammer aufgeschrieben hat. Vielleicht sind die Techniken des 15. Jahrhunderts, um Steine zu härten und wasserfest zu machen, ja den heutigen Methoden überlegen.