Nicht nur für Spielkinder: Klostergeschichte in Playmobil
Was haben Sean Connery, aufständische Bauern und ein wilder Eber gemeinsam? Sie alle sind ab sofort als Playmobilfiguren im Kloster Eberbach zu sehen. Dort hat man sich zum Start der gerade wieder anlaufenden Museumssaison etwas Besonderes einfallen lassen. In zwölf Schau-Landschaften hat der Hamburger Künstler und Playmobil-Sammler Oliver Schaffer die 900-jährige Geschichte des Klosters nachgestellt.
Was sonst nach trockenem Geschichtsvortrag klingt, erwacht in kunterbunten Szenen zum Leben: Die Klostergründung durch Bernhard von Clairvaux, das Leben der Mönche im Mittelalter, der Rheingauer Bauernkrieg und das anschließende Friedensfest. Aber auch zeitgenössische Ereignisse sind zu sehen, wie das jährlich stattfindende Rheingau-Musik-Festival oder die Dreharbeiten für den Film "Der Name der Rose". Für die Romanverfilmung mit Sean Connery in der Hauptrolle bot das Kloster Eberbach 1985 die ideale Kulisse und erreichte auf diesem Weg internationale Bekanntheit.
Playmobil-Sammlung war bereits im Louvre
Berühmt sind natürlich auch die siebeneinhalb Zentimeter großen Kunststoffmännchen von Playmobil. 1974 trat die deutsche Firma ihren Siegeszug in die Spielzimmer der ganzen Welt an. Das Erfolgskonzept: Die lächelnden Figuren können praktisch alles sein – Tierärztin, Polizist, Feuerwehrfrau, Pirat – und lassen sich setübergreifend kombinieren. Wenn die eigens zum Reformationsjubiläum herausgebrachte Luther-Figur im Traktor über die Kuhweide fährt, sind der Kinderfantasie keine Grenzen mehr gesetzt.
Aber die bunten Kugelköpfe begeistern bei weitem nicht nur Kinder. Die weltweit größte Playmobil-Sammlung besitzt wohl Oliver Schaffer: Mehr als 300.000 Figuren und über 1.000.000 Einzelteile zählt er nach eigenen Angaben. Seine Leidenschaft hat der 42-jährige Sammler längst zum Beruf gemacht und bereits 49 Ausstellungen mit den bunten Männchen gestaltet – 2009 sogar im Pariser Louvre.
Mit den Schau-Landschaften will Schaffer Geschichte auf spielerische Weise vermitteln: "Egal wie alt man ist, alle werden glücklich, wenn sie Playmobil sehen. Jeder kann sich mit den Figuren identifizieren", sagt er. Die Ausstellung im Kloster Eberbach ist nun seine 50. und damit sein Jubiläumsprojekt. Der Kontrast zwischen den historischen Gemäuern mit ihrer sakralen Aura und der bunten Spielzeugwelt fasziniert den Playmobil-Fan. Als er von der Museumsverwaltung vor rund einem halben Jahr angefragt wurde, habe er deshalb sofort zugesagt.
Wie immer zu Beginn eines so umfangreichen Projekts sei er vor der Frage gestanden: Was habe ich schon, was brauche ich noch? Bei der Planung für das Kloster Eberbach wurde schnell klar: "Kein Sammler hat so viele Mönche." 50 Figuren in Kutte besaß er bereits, das würde aber nicht reichen. Um die bewegte Geschichte des Kulturerbes darstellen zu können, bestellte er bei Playmobil weitere 350 Mini-Mönche. In den Schau-Landschaften kann man sie nun beim Gottesdienst, während ihrer Arbeit im Skriptorium und auf dem Feld oder nachts im Schlafsaal beobachten. Insgesamt befinden sich in den zwölf Miniatur-Geschichten mehr als 5.000 Figuren.
Ein wild gewordener Eber steht am Anfang
Mit dem maßstabsgetreuen Nachbau des Klosters hat der Künstler sein bisher größtes Modell geschaffen. Eine Fläche von zwei auf zwei Meter bedecken die Klostergebäude, in denen die Spielzeug-Mönche beten und arbeiten. Vollkommen realitätsgetreu sind die Szenen trotzdem nicht. Das habe etwas mit seiner künstlerischen Interpretation zu tun, erklärt Schaffer. Bei der Gestaltung der Bilderwelt orientiere er sich zwar an den historischen Quellen. Aber letztendlich gehe es darum, die Geschichte in lebendige Bilder zu verwandeln und so erlebbar zu machen. Dazu tragen wesentlich auch die Hintergründe bei, in denen sich die Spielzeugfiguren befinden. So gehören zu den Landschaften selbstverständlich auch Pflanzen, Tiere, Schotterwege, Fachwerkhäuser und der Rhein.
Bernhard von Clairvaux gründete das Zisterzienserkloster 1136, nachdem er einem wilden Eber begegnet war, der mit seinen Hauern den Grundriss der Abtei in die Erde gezeichnet haben soll – so will es die Legende. Und so erklärt sich dann auch der Name des Klosters: Eberbach. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich das Kloster zu einer der bedeutendsten Abteien des Zisterzienserorderns und wurde zu einem Zentrum der Gelehrsamkeit. Seit der Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr als Kloster genutzt, zählt Eberbach heute zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen Europas. Eine Spielzeugsammlung haben die historischen Räume vermutlich noch nicht beherbergt – es wurde also höchste Zeit, dass sich der Playmobil-Fan einmal austoben durfte.
Infos zur Ausstellung
Die Ausstellung "Playmobil Klostergeschichte(n)" öffnet am heutigen Sonntag und kann noch bis 28. Oktober mit Führungen besucht oder auf eigene Faust erkundet werden. Die Schau-Landschaften befinden sich in den historischen Räumen des Klosters und sind Teil des regulären Museumsrundgangs.