Erfurter Fakultät modernisiert Theologie-Studiengänge
Eigentlich sind es gerade nicht die Zeiten, ein Theologie-Studium zu beginnen. Erst recht nicht katholische Theologie, mag man meinen. Der Ruf der Kirche und das Vertrauen in die Institution befinden sich im freien Fall. Die Kirchenaustritte indes schnellen weiter in die Höhe. Warum sich also ausgerechnet jetzt mit Theologie beschäftigen – und was kann man überhaupt danach damit anfangen?
Eine aussichtslose Sache? Absolut nicht, findet die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt. Sie nimmt die Herausforderung an und hat dazu ihren "Besteckkasten" generalüberholt und erweitert: Zum kommenden Wintersemester geht die Fakultät mit komplett überarbeiteten Studiengängen an den Start. Das Theologie-Studium soll dadurch flexibler, moderner und praxisorientierter werden.
Zentral ist ein grundlegender Perspektivwechsel, wie Dekan Jörg Seiler erläutert: "Wir denken jetzt vom kleinsten Studiengang – Bachelor im Nebenfach – aus: Was brauchen diese Studierenden, um gute Theologen zu werden?" Von den Kerninhalten ausgehend, kommen in den weiterführenden Studiengängen immer mehr und speziellere Inhalte dazu. "Wir denken nicht mehr zuerst vom Priester aus."
Modulkonzept wurde grundlegend reformiert
Insgesamt fünf Studiengänge hat die Fakultät: Magister, Bachelor im Haupt- und Nebenfach – zum Beispiel für das Lehramt, ein Master "Theologie und Wirtschaft" und die Bachelor-Kombination Religion und Management. Alle sind zum nächsten Semester neu akkreditiert bei den zuständigen Stellen der Universität und den kirchlichen Institutionen. Aufbau und Inhalte des Magister-Studiums, die kirchlicherseits detailliert vorgegeben sind, wurden zwar beibehalten, das Modulkonzept aber grundlegend reformiert, wie die zukünftige Pro-Dekanin Julia Knop erklärt.
Bislang umfasste ein Modul bis zu sieben Veranstaltungen, die in einer Prüfung abgefragt wurden. "Da kann man aber keine wirklich sinnvolle Kompetenzprüfung vornehmen, es bleibt vielfach bei der Abfrage unverbundener Inhalte. Diese Erfahrungen machen auch andere Fakultäten", so die Dogmatikerin. In Erfurt erfasst daher ein Modul künftig nur noch zwei eng aufeinander bezogene Veranstaltungen. "Das ermöglicht passgenauere und berufsbezogenere Prüfungen", so Knop.
Hinzugekommen sind auch ein verpflichtendes Praktikum während des Studiums, eine stärkere Einflechtung der Ökumene, auch in Kooperation mit der evangelischen Fakultät der Universität Jena, und ein ganz neues Studien-Modul: "Kirche – Kultur – Bildung". Es enthält unter anderem eine Ringvorlesung, die speziell die Diaspora-Perspektive und "Religion in areligiöser Zeit" in den Blick nimmt.
Seiler ist es wichtig, auch den Mehrwert und das Spezifikum des Standorts Erfurt einzubringen: "Wir sind die katholische Fakultät in Deutschland, die sich am längsten den Herausforderungen einer säkularen Gesellschaft stellt – wer bei uns Theologie studiert, setzt sich mit diesem immer virulenteren Thema automatisch viel stärker auseinander als an anderen Standorten."
Was macht man nach solch einem Studium? Knop berichtet: "Viele unserer Studierenden, gerade auch die Frauen, sehen ihre berufliche Zukunft nicht in einem Job in einer Pfarrgemeinde. Darauf müssen wir regieren und schauen deshalb: Welches Rüstzeug brauchen sie, um als Theologen in den unterschiedlichsten Berufen Antworten auf gesellschaftliche Fragen und Probleme geben zu können."
Zahlreiche Einsatzfelder in Zeiten globaler Umbrüche
Dazu gehört, dass die Studierenden nicht nur lernen, eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben, sondern auch Pressetexte, Kommentare oder Ankündigungen für eine nicht-religiöse Adressatenschaft: "Sie sollen souverän darin werden, theologische Inhalte zielgruppengerecht aufzubereiten."
Dekan Seiler ist überzeugt: "Wir müssen sehr offen ausbilden und nicht nur auf den Arbeitgeber Kirche fokussieren. Das Studium bietet sehr viel mehr Möglichkeiten, die wir noch gar nicht alle nutzen." Arbeitsfelder könnten genauso gut im Personalmanagement oder im Journalismus liegen. Insgesamt, findet Seiler, werden gute Theologinnen und Theologen dringender denn je gebraucht: "Nicht nur in der innerkirchlichen Krise. Theologie hinterfragt und reflektiert auch die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens insgesamt." In Zeiten globaler Umbrüche und sozialer Neuordnungen könnten gute Theologen einiges in die Waagschale werfen.