Schwester Birgit Stollhoff über das Sonntagsevangelium

Lebenshunger: Herr, gib uns immer dieses Brot!

Veröffentlicht am 31.07.2021 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Hannover ‐ Nie gab es so viel Auswahl an Lebensmitteln – und doch wächst die Unsicherheit. Auch im Glauben nimmt Schwester Birgit Stollhoff ein ähnliches Überangebot wahr: Gerade in Lebenskrisen hadern viele Menschen damit, das "passende" spirituelle Angebot zu finden. Was vermag unseren Hunger zu stillen?

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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff

"Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die besessen ist von Essensauswahl und Ethiken, während wir gleichzeitig die meisten Menschen von dem praktischen landwirtschaftlichen und ökologischen Wissen getrennt haben, um eine solche Auswahl treffen zu können", so schildert der englische Farmer James Redbanks das Dilemma unserer modernen Gesellschaft.

Essen spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle, wie man isst, spiegelt auch eine Ethik wider. Gleichzeitig machen immer mehr Krankheiten deutlich, dass wir den Bezug zu einer "normalen" Ernährung verlieren – Essen wird im Zuviel oder Zuwenig zur Sucht und es gibt Unverträglichkeiten auf "normale" Inhaltsstoffe. Essen hat seine Unschuld verloren, weil wir die Verbindung zu seinem Ursprung, zur Produktion verloren haben, weil wir mit seiner Herstellung, seinen Anbau nichts mehr zu tun haben – das macht der Farmer deutlich.

Mit unserem Glauben ist es, so scheint es mir manchmal, ähnlich: Wir haben ein religiöses und spirituelles Überangebot – alles ist möglich, alles gut und durchdacht tolerant. Gleichzeitig wissen wir, wie vergiftend Glaube und die Kirche sein kann. Vielleicht können wir diese geistlichen Angebote nicht mehr mit unseren Bedürfnissen zusammenbringen. Es gibt Situationen, in denen wir uns in "Todesnot" befinden, in denen wir uns verlassen fühlen, in denen tiefste Sehnsüchte nicht erfüllt oder gelebt werden können, in denen uns die Worte fehlen.

Aber es fällt uns schwer, das mit den Bildern und Erzählungen der Bibel oder anderer religiöser Bücher in Verbindung zu bringen oder gar die Sprache der Bibel dafür zu verwenden: Wie passt das Bild der Wüste in unsere Großstädte? Wie der Jobverlust zu den Klagepsalmen? Wie das Bild von Jesus am Kreuz in moderne Intensivstationen? Was kann das Bild des Brotes bedeuten in Verbindung mit dem Begriff des Glaubens und der Person Jesu Christi in unserer Gesellschaft mit ihren 1000 Einkaufsläden, ebenso viel religiösen Blogs oder Social-Media-Plattformen und den diversen "Influencern" oder "VIPs"?

Brot ist in der Bibel ein zentraler Begriff, es verweist auf die Schöpfung und die (gebrochene) Gemeinschaft, es steht in Verbindung mit Segen und Fluch, Heimat und Verlassenheit, der Selbsttätigkeit des Menschen und der Abhängigkeit vom gebenden Gott. Von Jesus verwendet, steht dieser Satz wie ein Scharnier für das "dahinter". Es geht um unseren Glauben an Gott, an seine Welt und unsere existenzielle Verbindung zu ihm. Verstehen wir uns als Geschöpfe? Was bedeutet Gemeinschaft? Was ist Einsamkeit? Was ist der Sinn meines Lebens? Warum ist es sinnvoll, sich um den Nächsten zu kümmern?

Corona und die Fluten jetzt konfrontieren uns Menschen mehr mit uns selbst. Mit unseren Verfehlungen gegenüber der Schöpfung, aber auch unserer einzigartigen Verantwortung zu ihr und zueinander als Mitgeschöpfe. Weil wir als Menschen die Frage nach dem Sinn und Gott stellen können, kann uns diese Frage auch in eine existenzielle Not führen – oder ein grundlegendes, tragendes Vertrauen und eine angenommene Verantwortung für die Schöpfung.

Was das Brot ist für das Leben, ist der Glaube für die Existenz – und der zentrale Schlüssel, das Scharnier zu dieser Frage ist Jesu Leben, seine Liebe, Jesu Sterben und seine Auferstehung. Es ist ein einfaches Bild: So zentral, wie Brot für das Leben und den Alltagshunger ist, so zentral ist der Glaube an Jesus für das ewige Leben und den Hunger nach Sinn.

Von Sr. Birgit Stollhoff CJ

Evangelium nach Johannes (Joh 6,24–35)

In jener Zeit, als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger dort waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus. Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen?

Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt.

Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.

Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.

Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben.

Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Die Autorin

Sr. Birgit Stollhoff CJ gehört dem Orden Congregatio Jesu (auch bekannt als Mary-Ward-Schwestern) an, arbeitet im Jugendpastoralen Zentrum "Tabor" in Hannover, studiert Theologie im Fernstudium an der Universität Luzern und ist mitverantwortlich für die Öffentlichkeits- und Medienarbeit ihres Ordens.

Ausgelegt!

Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.