Bestattungen im Katastrophengebiet – Gedenkorte im Chaos
Ein provisorischer Bauzaun grenzt behelfsmäßig Teile des Friedhofs am Ahrtor in Ahrweiler ab. Neben dem Friedhofsgelände türmt sich ein Schuttberg dort auf, wo sonst ein Parkplatz wäre. Lärmend fahren Bagger und Einsatzfahrzeuge an der Straße vorbei, bringen Schrott, Schutt und Geröll weg und wirbeln Staub auf.
Auf dem Friedhof wurden mit der Flut Tote, ein Auto und viel Schlamm angespült. Wochen später ist viel passiert. Doch die Oberfläche des Friedhofs zeugt noch immer von Verwüstung. Umgekippte Grabmäler, weggerissene, teilweise abgebrochene Grabsteine liegen zwischen angespülten Baumstämmen, Gestrüpp und Schlamm. Rot-weißes Flatterband sperrt Teile des Friedhofs ab.
Infrastruktur für Beisetzungen fehlt teilweise
Die Bundeswehr hat die Aufräumarbeiten auf dem Friedhof übernommen, befreit Wege mit kleinen Baggern von kontaminierter Erde, Soldaten laden schaufelweise Schmutz von den Grabflächen auf Schubkarren. Vor wenigen Jahren seien die Gräber über GPS ausgemessen worden, sagt Christian Koll von der Friedhofsunterhaltung der Stadt, der die Arbeiten begleitet. "Dadurch gibt es ziemlich genaue Pläne von den einzelnen Gräbern." Er zeigt sich zuversichtlich, dass sich auf dem Friedhof Ordnung ins Chaos bringen lässt. Tote sollen an dem Ort wieder ruhen, Angehörige trauern und sich erinnern können.
Mindestens 180 Menschen starben in Deutschland durch die Flutkatastrophe. 141 Tote sind es nach aktuellem Stand in Rheinland-Pfalz, die meisten aus dem Ahrtal. 26 Tote im Land müssen noch identifiziert werden. Die anderen können nun beigesetzt werden. Teilweise ist jedoch die Infrastruktur dafür – Friedhöfe, Bestattungsunternehmen, Trauerorte, Kirchen – beschädigt.
Bestatter im Katastrophengebiet kämpfen mit der Situation. Einige haben ihre Firma verloren, andere arbeiten Tag und Nacht an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Zu ihnen gehört ein Sinziger Bestatter, der seinen Namen nicht nennen mag. "Das Leid ist unglaublich groß", meint er. Mehr möchte er nicht sagen.
Bestatter Sascha Mühlhöfer bot in der Not Hilfe an. Sein Unternehmen sitzt auf der anderen, der rechten Rheinseite in Unkel. Von der Flutkatastrophe im Ahrtal ist er nicht betroffen. Nun begleitet er als Bestatter die Familie eines Flutopfers, will der Familie auch in der Ausnahmesituation einen guten Abschied ermöglichen. "Es ist wichtig, dass sich niemand zu voreiligen Entscheidungen gedrängt fühlt", betont Mühlhöfer. Es dürfe kein Druck entstehen, den Verstorbenen schnell, anonym oder auf einem Friedhof weiter weg zu beerdigen.
Normalerweise muss ein Toter in Rheinland-Pfalz innerhalb von zehn Tagen bestattet werden. Diese Frist lasse sich aktuell bei Behörden unkompliziert verlängern, sagt der Geschäftsführer des Bestatterverbands Rheinland-Pfalz, Christian Jäger. Bei plötzlichen Todesfällen brauchen Angehörige mitunter mehr Zeit, um zu überlegen, welche Art Grab sie wünschen, welcher Friedhof es sein soll oder wie sie die Trauerfeier gestalten wollen. Das zu entscheiden und zu organisieren braucht in den besonders getroffenen Gebieten, wenn das Telefon nicht funktioniert und viele Unsicherheiten bestehen, mehr Zeit.
Mühlhöfer spricht mit der Familie Schritt für Schritt ihre Bedürfnisse durch, organisiert ein Gespräch mit einem Seelsorger, sucht mit ihnen einen Friedhof in der Nähe ihres Wohnorts, einen Pfarrer für die Beerdigung und gibt den Angehörigen Zeit, sich in Ruhe vom Verstorbenen zu verabschieden. "Wichtig ist, dass Familien so betreut werden, wie es auch geschehen würde, wenn nicht auf einmal so viele Tote zu bestatten wären. Jede Familie muss den Tod oder die Todesfälle individuell verarbeiten können", betont er.
Der Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler, Jörg Meyrer, sagt in einem Video an die Gemeinde: "Es wird würdevolle, sehr achtsame Beerdigungen geben." Vielleicht nicht "in der Form, die wir kennen, aber sehr würdevoll und abgestimmt", unterstreicht er. Alle Bestattungen kann das Team der Pfarreiengemeinschaft in der Sondersituation wohl nicht selbst begleiten. Erfahrene Seelsorger springen demnach als Unterstützung ein und begleiten Beerdigungen.
Beisetzung ist für Trauerbewältigung zentral
Das ganze Ausmaß der Schäden an Friedhöfen steht auch drei Wochen nach der Flut noch nicht fest. Auch fehlt ein vollständiger Überblick über die betroffenen Friedhöfe und die Art der Schäden. Im Ahrtal ist außer dem Friedhof am Ahrtor in Ahrweiler etwa auch der in Dernau stark beschädigt. Das heißt aber nicht, dass keine Bestattungen in der Nähe möglich sind, denn einige Friedhöfe blieben von der Flut unberührt. Dort beginnen in diesen Tagen Beerdigungen von Flutopfern. In Ahrweiler etwa auf dem Bergfriedhof oder dem Friedhof in Bad Neuenahr.
"Die Beisetzung ist für die Bewältigung der Trauer ein zentraler Punkt", sagt Experte Jäger. Auch wenn nun die Möglichkeit bestehe, Urnen längere Zeit in Krematorien aufzubewahren oder die Bestattungsfristen zu verlängern, helfe das den Angehörigen nicht unbedingt: "Wenn die Bestattung herausgezögert wird, leben Angehörige in einer Art Schwebezustand, der für viele auch belastend ist", sagt Jäger.