Wie die Bistümer der alternden Gesellschaft begegnen wollen

Ringen um die Zukunft

Veröffentlicht am 16.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bistümer

Berlin / Augsburg / Paderborn ‐ Auf den ersten Blick sehen die Zahlen nach einem Kahlschlag aus. Aus 100 Pfarreien im Erzbistum Berlin sollen 30 Großpfarreien werden. Von 1.001 Pfarreien auf nur noch 207 Seelsorgeeinheiten soll die Zahl im Bistum Augsburg reduziert werden. Und in Paderborn sollen aus 725 Pfarreien, die schon jetzt teilweise in Pfarrverbünden organisiert sind, nur noch 88 sogenannte "Pastorale Räume" werden.

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Anlass für den Umbau der Diözesen sind der demografische Wandel und der Mangel an Priestern. Das Erzbistum Berlin rechnet damit, dass in einigen Gegenden der Diözese die Bevölkerungszahl um 25 bis 30 Prozent sinken wird. Damit sinkt auch die Zahl der Katholiken, die in Brandenburg und Vorpommern ohnehin schon in extremer Diaspora leben. Auch in Berlin wird mit sinkenden Priesterzahlen gerechnet.

200 Seelsorgeeinheiten

Im Bistum Augsburg prognostizieren Berechnungen, dass im Jahr 2025 etwa 350 Priester für die Seelsorge zur Verfügung stehen werden. Dort sollen die Pfarreien deshalb in rund 200 neuen Seelsorgeeinheiten zusammengefasst werden, die von einem Pfarrer geleitet werden. Weitere Priester, pastorale Mitarbeiter und Ruhestandsgeistliche sollen den Pfarrer bei der seelsorglichen Arbeit unterstützen.

Zdarsa predigt im Augsburger Dom.
Bild: ©KNA

Bischof Konrad Zdarsa bei seiner Amteinführung im Jahr 2010.

In der Diözese Augsburg formierte sich vor drei Jahren Widerstand gegen die Pläne aus dem Ordinariat. Initiativgruppen demonstrierten vor dem Dom, Kirchengemeinden bildeten Menschenketten um ihre Kirchen, Unterschriften wurden gesammelt und hunderte Gläubige schrieben Leserbriefe an die Lokalzeitungen und Beschwerden an den Augsburger Bischof Konrad Zdarsa. "Das ist vorbei, die Sache ist durch", sagt Daniel Wirsching, der die Pläne als Redakteur der "Augsburger Allgemeinen" kritisch von außen betrachtet und immer wieder darüber geschrieben hat. Die Sache sei am Anfang nicht genügend kommuniziert worden, meint Wirsching.

Bei der Familienumfrage des Vatikans habe die Bistumsleitung jetzt offensichtlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die Ergebnisse der Augsburger Umfrage waren im Dezember 2013 in einer zehnseitigen Zusammenfassung veröffentlicht worden. "Es reicht von einer Übereinstimmung mit den Positionen des Lehramts der katholischen Kirche bis hin zu sehr kritischen Anmerkungen", sagte der Augsburger Diözesanfamilienseelsorger Christian Öxler damals zu dem Bericht. "Damit hat der Bischof der Kritik den Wind aus den Segeln genommen", schätzt Wirsching ein. Auch die gestiegene Wahlbeteiligung bei den Pfarrgemeinderatswahlen im Bistum Augsburg sei ein Hinweis darauf, dass von einer Frustration der Gläubigen nicht die Rede sein könne.

"Pastoral der Berufung"

Auch in Berlin werden die Pläne von Kardinal Woelki von einigen Katholiken kritisch betrachtet. 2.800 Unterschriften übergab eine "Initiativgruppe Katholiken im Erzbistum Berlin" Ende Januar an den Kardinal. Der Sprecher des Erzbistums, Stefan Förner, findet es "auch gar nicht beunruhigend, wenn Leute sich zu dem Prozess äußern". Es habe auch kein kirchlicher Mitarbeiter deshalb Nachteile zu befürchten oder gar mit disziplinarischen Maßnahmen zu rechnen.

Kardinal Rainer Maria Woelki.
Bild: ©dpa/Rainer Jensen

Kardinal Rainer Maria Woelki spricht vor Journalisten.

Auch Wolfgang Klose, der Vorsitzende des Diözesanrates im Erzbistum Berlin, findet es gut, wenn sich in den Gemeinden Gedanken gemacht wird, wenn Leute sagen: Wie können wir etwas gemeinsam verändern. Im RBB gab er allerdings zu bedenken: "Ob dieser Begriff Petition der richtige ist, ich glaube eher, es ist ein Zeichen von vielen Männern und Frauen in unseren Gemeinden, die sagen, wir wollen hier etwas verändern. Und solange Leute noch Kritik üben, ist ihnen das ja wichtig, dass es in der Kirche weitergeht. Und das ist ein Mut machendes Zeichen."

In Paderborn steht die Umgestaltung der pastoralen Räume an einem Wendepunkt. "Perspektive 2014" war der Prozess vor 10 Jahren genannt worden, als Erzbischof Hans-Josef Becker den Anstoß dazu gab. Domvikar Michael Bredeck, Geschäftsführer der Lenkungsgruppe "Perspektive 2014", sagt: "Ja, es geht um eine Pastoral der Berufung". Zentral sind dabei im Erzbistum Paderborn vier Bereiche. Unter dem Stichwort "Taufberufung fördern" geht es um Katechese, Gottesdienst und Sakramente. Ein weiteres Themenfeld sind das Ehrenamt, Pastorale Orte und Caritas und Weltverantwortung.

Es wird über "Gemeinde" diskutiert

Auch in Berlin wird Wert auf die geistliche Dimension des Umgestaltungsprozesses gelegt. "Wenn die Heilige Schrift stärker als bisher auf dem vor uns liegenden geistlichen Weg zu einem Kursbuch für unser pastorales Handeln werden könnte, würde mich das sehr freuen", betont Kardinal Woelki. Breit diskutiert wird in allen Diözesen was unter dem Begriff "Gemeinde" zu verstehen ist und welche Bedeutung die Eucharistie hat.

Alle Bischöfe betonen mit Nachdruck das ein Leben als christliche Gemeinde nur aus der Eucharistie heraus möglich sei, dass die Heilige Messe im Mittelpunkt stehe. Sogenannten "Wort-Gottes-Feiern", priesterlosen Gottesdiensten mit Kommunionausteilung erteilen die Bischöfe generell eine Absage. Katholiken sei auch eine etwas weitere Fahrt in den Nachbarort zur nächsten Eucharistiefeier zuzumuten, sagen die Bischöfe. In der ostdeutschen Diaspora sei das ohnehin schon länger der Fall.

Vollkommen ausschließen wollen die Bischöfe durch Laien geleitete "Wort-Gottes-Feiern" jedoch nicht. So sei etwa in Alten- und Pflegeheimen, in denen am Sonntag wegen Priestermangels keine Hl. Messe stattfinden könne, eine "Wort-Gottes-Feier" vorstellbar, heißt es aus dem Bistum Augsburg. Auch der Berliner Kardinal Woelki will Ausnahmen nicht vollkommen ausschließen. "Wenn es auf Grund der geographischen Gegebenheiten geboten scheint", gibt Pressesprecher Stefan Förner als Beispiel.

Von Markus Kremser