Deutsche Diözesan- und Weihbischöfe treffen sich in Fulda

DBK-Herbstvollversammlung: Viel Druck, Stühlerücken und eine Premiere

Veröffentlicht am 20.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Fulda ‐ Die Vertrauenskrise der Kirche in Deutschland ist nach wie vor immens – und der Synodale Weg geht in die entscheidende Phase. In dieser Gemengelage kommen die deutschen Bischöfe an diesem Montag in Fulda zusammen. Es könnte ein in vielerlei Hinsicht weichenstellendes Treffen werden.

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Wenigstens ein Thema, das die Kirche in Deutschland seit Monaten beschäftigt, hat sich kurz vor dem Treffen der 68 deutschen Diözesan- und Weihbischöfe geklärt. Die "Causa Heße" ist entschieden, Papst Franziskus hat den Rücktritt des Hamburger Erzbischofs, den dieser nach der Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens angeboten hatte, nicht angenommen. Ein kleiner Befreiungsschlag? Eher nicht: Katholische Verbände, Missbrauchsbetroffene und viele Gläubige reagierten mit einer großen Portion Unverständnis. Der Tenor: Wer soll denn der Kirche ihren Aufarbeitungswillen abkaufen, wenn selbst Bischöfe, die wegen erwiesener Pflichtverletzungen ihren Rücktritt anbieten, weitermachen sollen wie zuvor?

Doch nicht nur deshalb steht die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz von diesem Montag bis Donnerstag in Fulda erneut ganz im Zeichen der riesigen Vertrauenskrise, in der die Kirche in Deutschland angesichts der Vorgänge rund um die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs steckt. Denn die "brisantere" Entscheidung in diesem Feld steht nach wie vor aus: Kardinal Rainer Maria Woelki hat das Vertrauen mit seinem Agieren bei der Missbrauchsaufarbeitung bei vielen Priestern und Gläubigen im Erzbistum Köln verspielt und steht auch deshalb unter großem öffentlichem Druck. Im Sommer kamen schließlich zwei Apostolische Visitatoren nach Köln, um die "komplexe pastorale Situation" zu untersuchen und dem Papst darüber Bericht zu erstatten. Viele deuten die Entscheidung zu Heße zwar als Fingerzeig, doch noch immer ist unklar, wann und wie sich der Vatikan final zur Situation im Erzbistum Köln äußern wird.

Gerade Woelki ist zum öffentlichen Symbol für die Vertrauenskrise geworden, aus der die Kirche in Deutschland um einen Weg ringt. Dass viel Druck im Kessel ist, zeigte nicht zuletzt das Vorpreschen des Münchner Kardinals Reinhard Marx mit seinem Rücktrittsangebot Anfang Juni. Die Kirche, so Marx in Anlehnung an den Jesuitenpater Alfred Delp, befinde sich an einem "toten Punkt". Für ihn gehe es darum, "Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten". Doch auch hier entschied der Papst, den Amtsverzicht nicht anzunehmen. Zumindest ihre Reaktionen deuteten darauf hin, dass Marx' Amtsbrüder von dessen Schritt kalt erwischt wurden.

Vollversammlung und Synodaler Weg

Der Weg aus der Krise, auf den sich die Kirche in Deutschland, Bischöfe und Laien gemeinsam, geeinigt hat, soll eigentlich der Synodale Weg sein. Die Diskussion über dessen Fortgang wird bei den Beratungen der Bischöfe vermutlich einiges an Zeit in Anspruch nehmen: Nur wenige Tage nach dem Ende der Herbstvollversammlung der Bischöfe startet die zweite Vollversammlung des Reformprozesses. Die thematischen Foren haben inzwischen insgesamt 16 beschlussfertige Texte erarbeitet, über die abgestimmt werden soll. Zudem wächst der öffentliche Entscheidungsdruck: Viele Gläubige erwarten sichtbare Reformen und klar formulierte Voten an den Vatikan, besonders in Sachen Sexualmoral und Weiheämter für Frauen.

Erste Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Der Synodale Weg wird bei den Beratungen eine Rolle spielen.

Dass es dabei unter den Bischöfen zu kontroversen und intensiven Debatten kommt, ist angesichts des wachsenden und öffentlichen Widerstands mancher Bischöfe gegen die Entscheidungsvorlagen durchaus anzunehmen. Insbesondere der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte zuletzt deutliche Kritik an den bislang veröffentlichten Texten zu den vier Foren des Synodalen Wegs geäußert. Unter seiner Federführung entstand eine Website, die "lehramtskonforme" Alternativvorschläge präsentieren soll.

Im Zentrum von Voderholzers Kritik steht insbesondere der Grundtext des Forums zum Thema Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. Anfang September hatte Voderholzer erklärt: "Die sakramentale Grundstruktur der Kirche kommt kaum vor, und die Sakramentalität des Bischofsamtes erscheint nicht in der vom Zweiten Vatikanischen Konzil herausgearbeiteten Form. Einige Bischöfe meinen, das läuft auf eine Selbstabschaffung des Bischofsamtes hinaus." Der Passauer Bischof Stefan Oster meldete Zweifel am Grundtext des Forums zum Thema Sexualmoral an. Dieser mache deutlich, dass es nicht um eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre gehe, sondern "de facto um eine andere als das bisher geteilte christliche Menschenbild", heißt es in einem Vorwort zu einem alternativen Grundlagenpapier, das Oster gemeinsam mit drei Mitstreitern aus dem Synodalforum bereits vergangenes Jahr verfasst hatte und das nun veröffentlicht wurde.

Weltweiter synodaler Prozess

Eine weitere Frage, die es zu klären gilt: Wie lässt sich der Synodale Weg in den von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten synodalen Prozess integrieren, der in zwei Jahren in einer Bischofssynode gipfeln soll? Beide Prozesse verfolgen unterschiedliche Ansätze: Während der deutsche Synodale Weg ambitionierte Ziele verfolgt und den Fokus vor allem auf mögliche Änderungen von Struktur und Lehre der Kirche legt, schwebt dem Vatikan eher ein Gesprächsprozess darüber vor, was für die Kirche wichtig ist und wie sie wirken kann. Und die Zeit drängt: Die erste Phase des weltweiten synodalen Prozesses soll Anfang Oktober starten.

Papst Franziskus spricht in einem Flugzeug
Bild: ©picture alliance/dpa | Johannes Neudecker

Papst Franziskus strebt einen weltweiten synodalen Prozess an.

Doch nochmal zum Thema Missbrauchskrise: Die Bischöfe wollen sich auch ganz konkret mit dem Thema Aufarbeitung und Prävention befassen. Inzwischen ist bekannt, dass die Deutsche Bischofskonferenz eine Rahmenordnung für die Führung der Personalakten von Klerikern erarbeitet hat, die aller Voraussicht nach bei der Vollversammlung beschlossen wird. Die Ordnung soll verbindliche Regeln zur Führung der Personalakten definieren. Darüber hinaus könnte auch das Thema Anerkennungsleistungen für Betroffene wieder aufs Tableau kommen. Zuletzt hatten Opfervertreter das Verfahren für die Zahlungen kritisiert und weitreichende Änderungen gefordert.

Darüber hinaus steht großes Stühlerücken bei der Bischofskonferenz an: Bei den Bischöflichen Kommissionen könnte es nach zehn Jahren wieder einmal zu großen Wechseln kommen. Besonders wird mit Spannung erwartet, welche Bischöfe jeweils an die Spitze gewählt werden. Bislang waren die Vorsitzenden stets Diözesanbischöfe – das wird aller Wahrscheinlichkeit auch weiterhin der Fall sein. Interessant werden vor allem Vorsitz und Besetzung der Glaubenskommission, der aktuell der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann vorsteht, sowie der Pastoralkommission, momentan unter der Leitung des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode.

Zwei Wechsel sind sicher

Zwei Wechsel sind indes bereits sicher: Der bisherige "Medienbischof", der Rottenburg-Stuttgarter Oberhirte Gebhard Fürst, steht nicht mehr für eine weitere Amtszeit als Vorsitzender der Publizistischen Kommission zur Verfügung. Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick wird nach 15 Jahren den Vorsitz der Kommission Weltkirche abgeben. Sowohl bei Fürst als auch bei Schick spielte das Alter die Hauptrolle bei der Entscheidung: Fürst ist 72, Schick vollendet sein 72. Lebensjahr während der Vollversammlung. Für die vakanten Posten kommt dann vor allem die jüngere Generation der Diözesanbischöfe infrage: Michael Gerber (Fulda), Heiner Wilmer (Hildesheim), Peter Kohlgraf (Mainz) oder der neue Bischof von Augsburg, Bertram Meier.

Bei alldem, was bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe auf dem Plan steht, geht eine historische Neuerung fast unter: Erstmals wird eine Frau und Nicht-Geistliche bei allen internen Beratungen dabei sein: Die neue Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, hatte zum 1. Juli ihr Amt angetreten und steht in Fulda nun vor ihrem ersten großen Auftritt. Ihr Agieren steht auch international unter großer Beobachtung. Für katholische Frauen, die sich mehr Mitsprache in der Kirche wünschen, ist sie eine Hoffnungsträgerin. Zu ihrer neuen Aufgabe sagte sie unlängst, sie wisse, es werde nicht leicht. Sie könne aber "gut in eine Spannung reingehen. Ich kann sie auch aushalten." Bei den vielen Aufgaben, die die Kirche in Deutschland angesichts ihrer beispiellosen Krise immer noch vor sich hat, sowie der teils unterschiedlichen Auffassungen, wie diese zu bewältigen sind, ist das sicher eine hilfreiche Eigenschaft.

Von Matthias Altmann