Pater Christoph Kreitmeir über das Sonntagsevangelium

Zu Gottes Lebensfülle führt nur der Weg der Barmherzigkeit

Veröffentlicht am 02.10.2021 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Ingolstadt ‐ Antike Eheregeln mit ihren Vorschriften über Mann-Frau-Beziehungen, gespickt mit theologischen Fallstricken und einer Portion Elitarismus – mit diesem Evangelium ist heute kein Blumentopf zu gewinnen. Oder etwa doch? Pater Christoph Kreitmeir entdeckt eine Ethik Jesu, nach der die Gegenwart dürstet.

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Impuls von Christoph Kreitmeir

Wenn ich diesen Text über Ehe, Mann und Frau, Gebot, Scheidungsurkunde, Gesetz des Mose, Jesu Auslegung, gelegte Fallstricke von Pharisäern und dem Verhalten seiner Jünger gegenüber Kindern lese, dann sträubt sich in mir ganz viel. Warum?

Weil wir heute in diesen Fragen riesige Entwicklungen durchgemacht haben und man sich fast nicht mehr auskennt. Es gibt nicht mehr nur männlich und weiblich, sondern auch divers. Die Verbindung von Mann und Frau ist nur ein Modell von vielen: Mann und Mann, Frau und Frau, Mann oder Frau und Divers und wie verhält es sich dann mit den Kindern, die diese Partner haben. Als Christ, als Christin fühlt man sich in diesen modernen Zeiten immer mehr hinter dem Mond. All die Werte, die man von Kind auf wie selbstverständlich mitbekommen hatte, gelten heute nichts mehr oder nicht mehr viel.

Als ich vor kurzem eine Frau um die 50 kennen lernen durfte, die von ihrer verheirateten Partnerin wegen einer 14 Jahre jüngeren verlassen wurde und sich eine Besuchsproblematik der damals adoptierten und heute 13-jährigen Tochter entwickelte, wurde mir klar, wie wichtig doch verbindliche Regeln zwischen Partnern und Partnerinnen sind, die über den Tellerrand des kirchlich bekannten Modells "Mann-Frau" hinaussehen.

Dabei gefällt mir die Ethik Jesu, die hinter die Dinge sieht, sehr gut. Zu den Pharisäern sagte er: "Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch ein Gebot gegeben." Und zu seinen Jüngern machte er die tiefer liegenden Schichten von Ehebruch klar und deutlich. Es geht Jesus nicht primär um Gesetze und Gebote, es geht ihm um das Herz der Dinge und den tieferen Sinn dahinter.

Und wer Kindern gegenüber ablehnend ist, weil sie wie am Beispiel seiner Jünger erlebt irgendwie und überhaupt nicht ins Konzept passen, dem ist Jesus gegenüber sehr klar, ja sogar unwillig. Er nimmt die Kinder in seine Arme, legt ihnen die Hände auf und segnet sie. Er stellt ihren Glauben und ihr Vertrauen auf Gott heraus und macht sie somit zum Vorbild für Erwachsene.

In der Umgebung von Hartherzigkeit und Engstirnigkeit verkümmert Leben. Im Resonanzraum von Großherzigkeit und Barmherzigkeit kann Leben gedeihen, wachsen, gestärkt werden und das Zusammenleben von Menschen egal welcher Couleur, sexueller Ausrichtung oder gesellschaftlicher Zugehörigkeit positiv fördern.

Eine Kirche, die sich auf Jesus berufen will, darf durch eine menschenfreundliche Leib- und Seelsorge Gottes Lebensfülle neu erfahrbar machen.

Von Christoph Kreitmeir

Evangelium nach Markus (Mk 10,2–16)

In jener Zeit kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen? Damit wollten sie ihn versuchen.

Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat gestattet, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen. Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.

Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie männlich und weiblich erschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassenund die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.

Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber. Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Und wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch.

Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes.

Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.

Der Autor

Der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir arbeitet in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt, in der Erwachsenenbildung und bei Lebenshilfesendungen im Radio Horeb.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.