Polens Primas zu Kindesmissbrauch: Kirche hat Christus verraten
Der Primas der katholischen Kirche in Polen, Erzbischof Wojciech Polak, beklagt eine mangelnde Unterstützung für den Schutz von Kindern vor Missbrauch. "Wir spüren in unseren Gemeinden immer noch deutlich starken Widerstand und ungenügendes Verständnis für unsere Arbeit", sagte Polak am Mittwoch in Warschau. Das könne dazu führen, "dass wir uns hilflos fühlen", so der Bevollmächtigte der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Der Erzbischof von Gnesen (Gniezno) warb zum Abschluss einer internationalen Kinderschutzkonferenz der katholischen Kirche für eine Zusammenarbeit von Geistlichen, Laien und Betroffenen von sexualisierter Gewalt: "Ohne wirkliche Zusammenarbeit (...) werden wir den Corps-Geist und die Mauer des Schweigens nicht brechen." Kindesmissbrauch und die Versäumnisse der Kirche hätte vielen Menschen den Glauben geraubt, so Polak; und weiter: "Mit Demut müssen wir gestehen, dass wir in den Schwächsten und Verletzlichsten, die wir schützen sollten, Christus verraten haben." Gott sei in den geschädigten Menschen entweiht worden. Zu der Krise habe besonders der "Hochmut des Klerikalismus" beigetragen.
Die Juristin Hanna Suchocka von der Päpstlichen Kinderschutzkommision lobte vor Journalisten "intensive, ganz offene Gespräche" der Konferenzteilnehmer aus 20 Ländern Mittel- und Osteuropas. Die Kommission wolle neue Vorschläge für den Schutz von Betroffenen erarbeiten. "Wir haben bemerkt, dass wesentliche Mängel im Prozessablauf des Apostolischen Stuhls bestehen", so die frühere Botschafterin Polens beim Vatikan und ehemalige Ministerpräsidentin. Auf der Ebene des Vatikan sollten bestimmte Änderungen vorgenommen werden. Es gehe etwa um Standards für die Weitergabe von Informationen aus kirchlichen Verfahren an Betroffene sexualisierter Gewalt, sagte Suchocka. Die Päpstliche Kommission nehme sich auch der Frage an, ob Betroffene künftig als Prozesspartei an den Gerichtsverfahren beteiligt werden sollten.
Als Kind missbrauchter Pater kritisiert Prozess gegen Peiniger
Auf Einladung der Päpstlichen Kinderschutzkommission hatten an der Warschauer Konferenz Bischöfe, Ordensleute, Laien sowie Betroffene sexualisierter Gewalt teilgenommen. Die viertägige Veranstaltung "Unser gemeinsamer Auftrag, Gottes Kinder zu schützen" diente dem Erfahrungsaustausch über Präventionspraktiken gegen sexuellen Missbrauch. Die Teilnehmer kamen aus Polen, Albanien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Rumänien, der Republik Moldau, Bulgarien, Tschechien, der Slowakei, der Ukraine, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Belarus, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und dem Kosovo.
Der polnische Pater Tarsycjusz Krasucki hatte dort kritisiert, dass der Kirchenprozess gegen den Geistlichen, der ihn als Jugendlicher sexuell missbraucht habe, 17 Jahre gedauert habe. Er sei noch immer nicht über das vor mehr als sechs Monaten ergangene Urteil informiert worden. Anders als er habe der Angeklagte mit seinem Rechtsbeistand Akten einsehen können und als Prozesspartei weitere Rechte besessen.
Laut Suchocka ist in Polen das Bewusstsein für Kinderschutz inzwischen hoch. Das Land kämpfe schon lange gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen. "Es wurden eine Reihe von Maßnahmen ergriffen", sagte sie. Die Warschauer Konferenz sollte bereits 2020 stattfinden, war jedoch wegen der Pandemie mehrfach verschoben worden. Papst Franziskus hatte in einer Videobotschaft an die Teilnehmer der Kinderschutzkonferenz einen "konkreten Reformweg" sowie "echte und verlässliche Veränderungen" beim Kinderschutz angemahnt. "Nur wenn sich die Kirche der Wahrheit über diese grausamen Verhaltensweisen stellt und demütig Opfer und Überlebende von Missbrauch um Vergebung bittet, wird sie einen Weg finden, um ein glaubwürdiger Ort der Aufnahme und des Schutzes für Bedürftige zu werden", sagte der 84-Jährige. (tmg/KNA)