Abwärtstrend vorerst gestoppt: So viele Christen sitzen im Bundestag
Die Zahl der christlichen Abgeordneten im neu gewählten Bundestag ist im Vergleich zur vorangegangenen Legislaturperiode offenbar weitgehend stabil geblieben. Das legt eine katholisch.de-Analyse der Biografien der 735 Abgeordneten auf der Internetseite des Parlaments nahe. Demnach liegt der Anteil der Christen im Bundestag nun bei 45,31 Prozent und damit fast genau auf dem Wert der vergangenen vier Jahre. Damit wäre – zumindest vorläufig – der Abwärtstrend der vergangenen Jahrzehnte gestoppt. Noch 1990 hatten sich mehr als 70 Prozent aller Abgeordneten zum Christentum bekannt, seither war die Zahl der Christen im Bundestag jedoch bei jeder Wahl zurückgegangen.
Die aktuellen Zahlen stehen allerdings unter Vorbehalt, denn sie beruhen auf freiwilligen Angaben der Abgeordneten. 355 Parlamentarier (48,3 Prozent) – darunter viele, die durch die Wahl am Sonntag erstmals in den Bundestag eingezogen sind – haben bislang keine Angaben über ihre Religionszugehörigkeit gemacht; ob sie einer Religionsgemeinschaft angehören oder nicht ist damit unklar. Abgeordnete, die keine entsprechende Aussage getroffen haben, können trotzdem einer Glaubensgemeinschaft angehören. Prominentes Beispiel dafür ist Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU): Weil der 60-Jährige bei dieser Wahl neu in den Bundestag gewählt wurde, enthält seine Biografie auf der Internetseite des Parlaments bislang nur wenige Basisinformationen. Dass Laschet katholisch ist, wird dort zum Beispiel nicht aufgeführt, obwohl der CDU-Bundesvorsitzende engagierter Katholik ist.
Ungefähr so viele Christen wie in der Gesamtbevölkerung
Unter den Abgeordneten des Bundestags, die ihre Religionszugehörigkeit öffentlich gemacht haben, stellen evangelische Christen mit knappem Vorsprung die größte Gruppe. Gemäß den Angaben auf der Internetseite des Parlaments bekennen sich 165 Parlamentarier (22,45 Prozent) zur evangelischen und 162 (22,04 Prozent) zur römisch-katholischen Kirche. Außerdem sitzen im neuen Bundestag acht Muslime (1,09 Prozent), vier orthodoxe Christen (0,54 Prozent), zwei Alt-Katholiken (0,27 Prozent) sowie 39 Abgeordnete (5,31 Prozent), die angeben, konfessionslos zu sein. Während die Zahl der Katholiken und Protestanten im Parlament damit ungefähr ihrer Zahl an der Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht, sind Muslime deutlich unterrepräsentiert – auch wenn noch nie so viele Muslime gleichzeitig im Bundestag saßen wie jetzt. Zum Judentum bekennt sich derweil auch diesmal kein Volksvertreter.
Obwohl CDU und CSU bei der Wahl eine schwere Niederlage erlitten haben und ihre gemeinsame Bundestagsfraktion dementsprechend deutlich dezimiert ist, gehören ihr immer noch die meisten Christen an. 96 Abgeordnete der jetzt nur noch zweitgrößten Fraktion im Parlament bekennen sich zum Katholizismus und 60 zum evangelischen Glauben. Außerdem gehören der Fraktion ein Alt-Katholik, eine Muslimin – die Laschet-Vertraute Serap Güler aus Köln – und ein konfessionsloser Abgeordneter an. 37 Abgeordnete der Unionfraktion, die mindestens in den kommenden sechs Monaten weiter vom Katholiken Ralph Brinkhaus geführt wird, haben sich bislang nicht zu ihrem religiösen Status bekannt.
Die SPD-Fraktion, die erstmals seit 2002 wieder die größte Fraktion im Bundestag ist, setzt sich aus 46 Protestanten, 24 Katholiken, zwei orthodoxen Christen, drei Muslimen und fünf konfessionslosen Abgeordneten zusammen. Die größte Gruppe bilden bei der SPD aber die Abgeordneten, die ihren Glauben bislang nicht öffentlich gemacht haben (126).
Die Grünen-Fraktion ist durch den Wahlerfolg vom Sonntag nicht nur insgesamt angewachsen – auch die Zahl der Christen in ihren Reihen ist im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode gestiegen. Der unter anderem von der engagierten evangelischen Christin Katrin Göring-Eckardt geführten Fraktion gehören 18 Protestanten, neun Katholiken und drei Muslime an. Als konfessionslos bezeichnen sich acht Abgeordnete – darunter der Co-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter –, während 79 bislang keine Angaben gemacht haben.
Durchaus überraschend sind die Zahlen bei der ebenfalls angewachsenen FDP-Fraktion. Obwohl die Liberalen traditionell als kirchenfern gelten, gehören der neuen 92-köpfigen Fraktion 27 evangelische, 21 römisch-katholische Christen und ein Alt-Katholik an. Neun Parlamentarier der FDP deklarieren sich selbst als konfessionslos, 34 machen keine Angaben.
AfD und Linke nur mit wenigen religiösen Abgeordneten
Bei der dezimierten AfD-Fraktion bleibt die Zahl der Christen dagegen gering. Unter den 83 Abgeordneten der Partei befinden sich laut der Internetseite des Bundestags zwölf Katholiken, zehn Protestanten und ein russisch-orthodoxer Christ. Elf Abgeordnete der Fraktionen bezeichnen sich als konfessionslos und 49 haben bislang keine Angaben gemacht. Bei der Linken, die bei der Wahl unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb und nur dank drei gewonnener Direktmandate in Berlin und Leipzig erneut in den Bundestag einzog, sind die Bekenntniszahlen noch geringer. Hier finden sich nur drei evangelische Christen und eine Muslima – die Co-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali. Fünf Abgeordnete der kleinsten Fraktion im Parlament geben an, konfessionslos zu sein und 30 haben sich bislang nicht zu ihrem religiösen Status geäußert.
Und dann ist da ja noch der fraktionslose Abgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW). Die Partei der dänischen Minderheit ist mit Stefan Seidler zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder in den Bundestag eingezogen. Und dort stärkt der 41-Jährige die Gruppe der Christen – denn er ist evangelisch.