Bei ökumenischem Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit

Bischof Feige ruft Gesellschaft zu "Kultur der Wachsamkeit" auf

Veröffentlicht am 03.10.2021 um 11:35 Uhr – Lesedauer: 

Halle (Saale) ‐ Den Auftakt zu den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit bildete auch in diesem Jahr ein Gottesdienst. Dabei rief Bischof Gerhard Feige in Halle (Saale) mit Blick auf Gefährdungen der Demokratie zu einer Kultur der Wachsamkeit auf.

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Zum Tag der Deutschen Einheit hat der Magdeburger Bischof Gerhard Feige zu einer "Kultur der Wachsamkeit und des berechtigten Widerspruchs" aufgerufen. Angesichts sich verschärfender Spannungen in der Gesellschaft sowie fremdenfeindlicher, rassistischer und antisemitischer Tendenzen brauche es "mehr denn je noch konsequentere politische Bemühungen und eine mutige Zivilgesellschaft"; alle Menschen guten Willens sollten noch entschlossener für Toleranz und ein friedliches Miteinander eintreten, sagte Feige am Sonntag bei einem ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in der Pauluskirche in Halle (Saale).

"Demokratie ist kein Paradies oder Schlaraffenland"

Die Demokratie bezeichnete der Magdeburger Bischof in seiner Predigt als "kostbares, aber auch gefährdetes Gut, anspruchsvoll und anstrengend, kein Paradies oder Schlaraffenland". Viele Probleme seien sowohl komplex als auch kompliziert. Sie ließen sich nur mit großer Anstrengung und einem langen Atem bewältigen, nicht mit dem "Gift der einfachen Lösungen", hohlen Phrasen oder markigen Parolen. Wer sich auf raffinierte Weise selbst bediene oder die rechtlichen, sozialen und humanitären Errungenschaften untergraben wolle, müsse daran gehindert werden. "Nicht alle, die demokratisch wählen oder gewählt werden, sind ja auch wirkliche Demokraten", so Feige wörtlich.

Zugleich mahnte der Bischof, sich stets um einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen zu bemühen und dem Osten Deutschlands noch mehr Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Außerdem gelte es, religiöse Überzeugungen frei und öffentlich bekennen zu können und nicht ins private Abseits verdrängt zu werden. "Manchmal müssen Christen und Christinnen auch 'nerven', wenn es um ethische Werte geht, die den Anfang und das Ende des Lebens betreffen, die Bewahrung der Schöpfung oder überhaupt den Umgang mit all denen, die in Not sind", sagte Feige. Zudem betonte er die Notwendigkeit positiver Grundüberzeugungen und Verhaltensweisen, da eine Gesellschaft durch Gesetze und Vorschriften sowie Kritik und Kontrolle "noch nicht wirklich menschenfreundlich" sei. Wachsamkeit bedeute in diesem Kontext deshalb auch, aufgeschlossen, einfühlsam und solidarisch zu sein.

Plädoyer für den Gottesbezug im Grundgesetz

Weiter äußerte sich Feige auch zum Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes. Obwohl dieser immer mehr umstritten sei, solle und könne er jedoch deutlich machen, dass auch ein Staat nicht die höchste und letzte Instanz für und über alles sei. "Es gibt Fragen, die die Politik nicht beantworten kann, und Lebens- wie Weltdeutungen, die sich ihrer Verfügbarkeit entziehen" so der Bischof. Zudem verbinde sich damit die Einsicht, nicht einfach willkürlich handeln zu können, sondern für eigenes Tun oder Unterlassen verantwortlich zu sein – "vor wem auch immer".

An dem Gottesdienst, der den Auftakt der offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit markierte, wirkten auch der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, Andreas Nachama, und der Vizevorsitzende des Dachverbandes Islamischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Djamel Amelal, mit. Unter den anwesenden Repräsentanten des Staates waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Feierlichkeiten finden in diesem Jahr in Halle statt, da Sachsen-Anhalt derzeit den Vorsitz im Bundesrat innehat. (stz)

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