Umstrittener theologischer Gutachter im Fall Latzel hört auf
Im Berufungsverfahren des wegen Volksverhetzung verurteilten Bremer Pastors Olaf Latzel (53) zieht sich der von vielen kritisierte theologische Gutachter Christoph Raedel einem Medienbericht zufolge zurück. "Er hat vor dem Hintergrund der Unruhen um seine Person, zu denen er sich ja aufgrund seiner Rolle nicht äußern könnte, darum gebeten, nicht weiter in der Sache tätig sein zu müssen", sagte ein Sprecher des Bremer Landgerichts am Montag Radio Bremen. Die zuständige Kammer sei diesem Wunsch mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung nachgekommen und habe seine Bestellung zum Sachverständigen widerrufen.
Das Landgericht hatte Raedel Ende August mit einem Gutachten beauftragt. Die Expertise sollte Aufschluss geben, ob die umstrittenen Äußerungen Latzels zu Homosexualität und zur Gender-Theorie von der Bibel gedeckt sind. In diesem Fall könnte laut Landgericht die Religionsfreiheit höher zu bewerten sein als die Meinungsfreiheit.
Der freikirchliche Theologieprofessor aus Gießen hatte auf Nachfrage erklärt, er vertrete die Auffassung, dass Homosexualität nicht mit der christlichen Lehre vereinbar sei und als Sünde bezeichnet werden müsse. Dies hatte zu heftiger Kritik von Theologen, Kirchenrechtlern und Verfassungsexperten geführt. Auch die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland, der Raedel angehört, distanzierte sich von den Äußerungen des Mannes. Seine Aussagen zu Homosexualität habe er als Privatperson getätigt, nicht aber im Namen oder gar im Auftrag der methodistischen Kirche. Die Bremer Staatsanwaltschaft lehne Raedel daraufhin als Gutachter ab, weil sie ihn für befangen hielt.
Hauptverhandlung verschiebt sich weiter nach hinten
Wie Radio Bremen unter Berufung auf den Gerichtssprecher weiter berichtete, hat Raedel ausführlich dazu Stellung genommen. Insbesondere den Vorwurf der Befangenheit habe er zurückgewiesen. Über den Befangenheitsantrag sei letztlich auch nicht mehr entschieden worden.
Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht sind sich laut dem Sender aber nach wie vor einig, sich in dem Verfahren von einem Sachverständigen beraten zu lassen. Ein neuer Sachverständiger sei noch nicht gefunden; die zuletzt für frühestens Anfang 2022 terminierte Hauptverhandlung verschiebe sich dadurch weiter nach hinten.
Das Amtsgericht Bremen hatte Latzel Ende November wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro verurteilt. Laut Richterspruch hat der Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche in einem Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle und Intergeschlechtliche angestachelt. Der konservative Theologe hatte Berufung gegen das Urteil eingelegt, über die nun das Landgericht Bremen entscheiden muss. (tmg/KNA)