"Außergewöhnlich": Erstmals Kreuzfahrerlager im Heiligen Land gefunden
Bisher waren es wenige schriftliche Quellen, die Aufschluss darüber gaben, wie ein Lager von Kreuzfahrern ausgesehen hat. Jetzt wurde erstmals ein mittelalterliches Kriegslager der Ritter des Königreichs Jerusalem (1099-1291) im Heiligen Land gefunden, bestätigte der Archäologe Rafi Lewis der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einen Bericht der Zeitung "Haaretz". "Die reichhaltigen Funde geben uns Einblick in die Organisation und die Tätigkeiten im Kreuzfahrerlager", sagte der am Ashkelon Academic College und der Universität Haifa forschende Lewis.
Überreste römischer Lager finden sich in der gesamten Levante, nicht zuletzt weil ihre Stein- und Holzkonstruktionen Spuren hinterlassen. "Im Gegensatz dazu sind Lager der Kreuzfahrer eher temporärer Natur. Die Umfassungen sind in der Regel aus Seilen und werden beim Aufbruch mitgenommen", erklärte Lewis der KNA. Zurück bleibt wenig Sichtbares. Käme ein Besucher heute an die Grabungsstätte, er sähe "nichts als ein Feld, ein paar Eukalyptusbäume, eine Obstplantage".
Bei Bauarbeiten entdeckt
Wie so häufig im archäologisch reichen Israel waren es Bauarbeiten, die den Anstoß gaben. Bei Erweiterungen der Schnellstraße 79 in der Nähe der Ruinen von Zippori, dem antiken Sepphoris, wurde eine große prähistorische Stätte entdeckt, die in einem rund sechs Jahre dauernden Projekt der Israelischen Antikenbehörde unter Leitung von Nimrod Getzov und Ianir Milevski ausgegraben wurde.
Das Gebiet an den Quellen von Saforie war bedeutend für die Kreuzfahrer auf ihrem Weg zur entscheidenden Schlacht von Hattin 1187, rund 25 Kilometer westlich; jener Schlacht, in der sie von Truppen Sultan Saladins vernichtend geschlagen wurden. Die Prähistoriker Getzov und Milevski zogen den auf Landschafts-, Kreuzfahrer- und Konfliktarchäologie spezialisierten Lewis hinzu; ein Glück für den Archäologen, denn Kreuzfahrerarchäologie sei eher ein Stiefkind und bei vielen israelischen Kollegen nicht sehr populär. Auch Landschaft als Stätte und das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur werde in der Archäologie eher vernachlässigt.
"Eine Stätte wie diese ausgraben zu können, ist außergewöhnlich", sagt der Forscher, der nun Artefakte selbst untersuchen und mit den historischen Quellen vergleichen konnte. Auch wenn Archäologie "immer auch Interpretation" ist und "andere Interpretationen möglich" bleiben: Zwischen den archäologischen Funden und Schriftquellen gibt es laut Lewis keine größeren Widersprüche.
Gefunden wurden vor allem Metallgegenstände aus dem Lateinischen Königreich Jerusalem. "Neben Hufeisen und anderen pferdebezogenen Dingen waren die meisten Metallfunde Hufeisennägel", so Lewis, "und zwar zwei Arten: eine europäische und eine lokale Art". In Teilen des Lagers dominierte der eine Typ, in anderen Bereichen der andere; in manchen fanden sich beide Nageltypen. Das könnte bedeuten, dass das Lager wiederholt von verschiedenen Gruppen genutzt wurde. Lewis hält es eher für einen Hinweis auf Gruppen unterschiedlicher Herkunft im gemeinsamen Lager. Die Kreuzfahrer, sagt er, hatten nicht viel mit einer heutigen Armee gemein: "Zwar war der König der Oberbefehlshaber; letztlich aber ritt jeder Ritter unter einer anderen Flagge."
Ausbesserungs- und Unterhaltsarbeiten
In einem waren die Ritter den modernen Soldaten durchaus ähnlich, glaubt Lewis. "In Zeiten des Wartens auf den Krieg zeigen sich gleiche Phänomene: Die Soldaten machen ihr Gefährt, hier ihre Pferde, und ihr Material bereit." Wie die Hufeisennägel sprechen zahlreiche gefundene Nähnadeln für Ausbesserungs- und Unterhaltsarbeiten. Ebenfalls gefundene Pfeilköpfe könnten von Übungen stammen.
Im Kampf teilten sich die Ritter in drei Gruppen. In dieser Formation aus einer vorderen und hinteren Wache um die zentrale Truppe mit dem König zog man vom Lager in die Schlacht. Dass die Artefakte in Gruppen entlang des Wasserlaufs gefunden wurden, könnte bedeuten, dass die Soldaten bereits in dieser Kampfformation lagerten.
Überhaupt sei die Position der Funde zum Wasser interessant: Je näher man dem Wasser komme, umso reicher und höherwertig würden die Artefakte. Der sozioökonomische Status der lagernden Ritter, schließt der Archäologe, stieg mit der Nähe zur Hauptwasserquelle. Fündig wurden die Forscher übrigens nur südlich des Stroms, nicht aber nördlich. Vielleicht war neben den Seilen in diesem Fall auch das Wasser eine Begrenzung für das Lager.