Was will ich wirklich von Jesus?

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Impuls von Pater Philipp König
Die Heilung des blinden Bartimäus ist weit mehr als eine erbauliche Erzählung. Für Bartimäus selbst war dieser Moment die große Chance seines Lebens. Jetzt oder nie! Als einen der ganz wenigen von Jesus Geheilten kennen wir ihn mit Namen! Der Mann am Straßenrand imponiert mir, denn er beweist gleich in dreifacher Hinsicht Mut:
1. Mut gegenüber den Menschen
"Lass es sein, es bringt doch nichts! Du gehst uns mit deinem Geschrei nur auf die Nerven!" So könnten die Leute Bartimäus angeherrscht haben. Der Bettler passte nicht ins Bild, störte nur die schöne Kulisse. Er aber ließ nicht locker. Als die laute Mehrheit ihn zum Schweigen bringen will, lässt er sich nicht einschüchtern, sondern schreit sogar noch lauter: "Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" Bartimäus ist egal, was die Leute sagen. Er lässt sich von niemandem den Mund verbieten und setzt all seine Hoffnung auf den Messias Jesus, den er als Sohn Davids um Erbarmen anfleht.
2. Mut gegenüber Jesus
Auch Jesus macht es dem Bartimäus keineswegs leicht: Er lässt ihn zu sich kommen, anstatt selbst auf ihn zuzugehen. Wie in Zeitlupe können wir jede der mühsamen Bewegungen des Blinden nachvollziehen: Er wirft seinen Mantel weg, springt auf, läuft zu Jesus. "Was willst du, dass ich dir tue?", fragt Jesus den Mann, anstatt sofort zu wissen, was dieser will. Die Antwort ist eindeutig, konkret, und kommt mitten aus dem Herzen: "Rabbuni, ich möchte sehen können." Bartimäus weiß, was er will, und formuliert es auch gegenüber Jesus unmissverständlich.
3. Mut zu Nachfolge und Kreuz
"Im gleichen Augenblick konnte er sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg nach." Gemeint ist der Weg von Leiden und Kreuz. Im Markusevangelium schließt nämlich unmittelbar der Einzug Jesu in Jerusalem an, den wir quasi mit den geöffneten und sehenden Augen des Bartimäus mitvollziehen sollen, gefolgt von seinem Weg zur Kreuzigung.
Bartimäus sieht klar, wofür die Jünger blind sind!
Damit ist klar: Bartimäus hat begriffen, was die Jünger in ihrer Begriffsstutzigkeit nicht verstanden haben: Dreimal hatte Jesus angekündigt, dass er leiden muss und dass dies zu seinem Weg dazugehört. Aber die Jünger ließen es nicht an sich heran und spekulierten lieber darüber, wer von ihnen im Himmelreich die besten Plätze bekommen würde (Mk 10,35-45). Die Jünger sind offenkundig blind für das, worum es Jesus geht, während dem scheinbar blinden Bartimäus sofort klar ist, was wirklich zählt: Ganz auf Jesus vertrauen, sich von ihm heilen lassen und mit ihm nach Jerusalem gehen, d. h. seinen Weg mitgehen bis zum Kreuz. Denn ein Messias Jesus ist ohne das Kreuz nicht zu haben!
Hand auf’s Herz: Will ich wirklich sehen?
Bartimäus lässt mich fragen, wie es um meinen Mut und um meine Entschiedenheit bestellt ist: Bleibe ich unbeeindruckt von den Einschüchterungen der Leute? Glaube und vertraue ich auch dann weiter, wenn Jesus lange auf sich warten lässt und mir meine Wünsche nicht sofort von den Augen abliest? Bin ich wie Bartimäus bereit zur Kreuzesnachfolge?
Und ganz ehrlich: Will ich überhaupt immer alles sehen? Will ich darauf hingewiesen werden, wo meine eigenen blinden Flecken sind? Wirklich sehenden Auges durch das Leben zu gehen, bringt schmerzhafte Wahrheiten ans Licht. Aber es führt in die Freiheit und in die Freundschaft mit Jesus, der selbst allen Schmerz auf sich genommen hat.
Aus dem Evangelium nach Markus (Mk 10,46b–52)
In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jericho verließ, saß am Weg ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!
Viele befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich.
Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte sehen können.
Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Im gleichen Augenblick konnte er sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.
Der Autor
Pater Philipp König gehört dem Dominikanerorden an und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Patristik und Antikes Christentum an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main. Außerdem ist er als Postulatsleiter in der Ordensausbildung tätig.