Raumdüfte für Kirchen: "Auch mit der Nase Christsein erfahren"

Bisher kennt man aus Kirchen vor allem einen Duft, und zwar Weihrauch. Das könnte sich bald ändern: Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) hat sich damit auseinandergesetzt, wie man auch olfaktorisch, also mit dem Geruchssinn, einen Zugang zu den Themen Glaube und Kirche finden kann. Herausgekommen sind dabei vier spezielle Raumdüfte für Kirchen, die mit Hilfe eines Wissenschaftlers und eines Parfümeurs kreiert worden sind: die "zap:aerothek". Doch das Projekt ist kein Selbstzweck, denn bald sollen auch Gemeinden die Düfte erwerben können. Der ZAP-Mitarbeiter und Religionspädagoge Christopher Pilz hat das Projekt begleitet und spricht im Interview über die Idee dahinter sowie die Ziele.

Frage: Herr Pilz, Ihr Aerothek-Projekt trägt den Slogan "Weil mehr als Weihrauch möglich ist". Finden Sie und Ihre Kollegen beim ZAP Weihrauch etwa langweilig?

Pilz: Weihrauch hat eine lange, wunderbare Tradition, gerade in der katholischen Kirche. Das wollen wir in keiner Weise infrage stellen. Mit Weihrauch haben wir uns in dem Projekt sehr intensiv beschäftigt. Wir möchten mit der "zap:aerothek" zeigen, dass es neben Weihrauch auch weitere Möglichkeiten für Düfte im Kirchenraum gibt.

Frage: Die Idee, spezielle Düfte für Kirchorte herzustellen, ist eher ungewöhnlich. Wie sind Sie darauf gekommen?

Pilz: Die Idee wurzelt im silentMOD-Event im Kölner Dom während der Gamescom 2016. Da ging es um die Entwicklung multisensualer Erfahrungen im Kirchenraum. Neben Licht und Musik gab es eben auch die Idee, einen Raumduft zu kreieren, der verströmt wird. Damals haben wir vom ZAP eng mit einigen Partnern zusammengearbeitet, mit denen wir auch jetzt kooperieren. Die Resonanz damals war so gut, dass wir die Idee weitergedacht haben. Daraus ist das Projekt der Aerothek entstanden.

Frage: Glauben Sie, dass Sie mit der Aerothek in eine Marktlücke stoßen können?

Pilz: Raumbeduftung und Duftmarketing spielt bereits in vielen Bereichen des Alltags eine entscheidende Rolle. Man denke nur an den Geruch eines Neuwagens, spezielle Düfte in Kleidungsgeschäften, oder an den Duft des Lieblingsshampoos. Das wirft die Frage auf: Wie riecht es in einem Kirchenraum? In dieser Hinsicht möchte die "zap:aerothek" eine moderne Form der Kirchenraumbeduftung bieten. Als etwas Besonderes und Exklusives.

Frage: Welche theologischen Erwägungen stecken hinter dem Projekt?

Pilz: Die Düfte sollen etwas Modernes und Frisches in die Gotteshäuser bringen – auch in Zusammenhang mit spirituellen Erfahrungen des Christseins. Es geht uns nicht darum, dass Kirche einfach nur anders riecht, sondern auch um die Frage, wie man mit der Nase das Christsein erfahren kann.

Frage: Und wie haben Sie das umgesetzt?

Pilz: Wir haben die Düfte auf die besonders geprägten Zeiten im Kirchenjahr abgestimmt. Weihnachten, Ostern oder Pfingsten etwa sind mit vielfältigen Assoziationen verbunden. Das haben wir versucht, für den Geruchssinn aufzugreifen. Die "zap:aerothek" wird aus vier Düften bestehen, die die Namen "Physis", "Kenosis", "Dynamis" und "Phronesis" tragen. "Physis" zum Beispiel soll den Duft von Weihnachten repräsentieren. Im Duftstoff werden auch Mandarinen- und Zimt-Noten erkennbar sein. Aber wir haben in erster Linie versucht, die theologische Aussage, dass Gott Mensch wird, für die Nase umsetzbar zu machen – und zwar durch Vanillin. Wir wissen aus der Riechforschung und der Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern, dass Vanillin – enthalten in der Muttermilch – bei vielen Menschen ein starkes Geborgenheitsgefühl auslöst. Wir wollten also das Bild der Heiligen Familie im Stall als Raumduft erfahrbar machen.

Frage: Und wie wird Ostern riechen?

Pilz: Der Osterduft "Kenosis" hat das Grundmotiv des Aufbruchs. Den "Ort" für dieses Gefühl verorten wir im Herz. Ostern markiert schließlich den Übergang von der Dunklen zur hellen Jahreszeit, es sprießt viel Grünes. Das alles spiegelt sich auch im Duft wider: sehr frische Zitrusnoten und holzig riechende Duftstoffe. Eine Verbindung aus Frühlingserwachen und Auferstehung.

Frage: Die Düfte selbst sind schon kreiert, jetzt geht es an die Herstellung und die Umsetzung. Ab wann können Kirchengemeinden die Aerothek erwerben?

Pilz: Wir planen aktuell mit dem Start im Februar 2022. Aber durch die aktuellen Probleme bei den weltweiten Lieferketten könnte es zu einer Verzögerung kommen. Wünschenswert wäre es aber, dass die Kirchengemeinden die Aerothek um die Fasten- oder Osterzeit herum erwerben könnten. Zusammen mit den Düften wird es ein Rundum-sorglos-Paket geben: mit einer Duftmaschine, die den Geruch verteilen soll, und einem Buch, um den Leuten unser Anliegen praxisorientiert zugänglich zu machen. Sie sollen die vielfältigen Möglichkeiten entdecken, wie man Düfte in der Liturgie oder der Gemeindearbeit einsetzten kann.

Frage: Mit welcher Nachfrage rechnen Sie?

Pilz: Bei den ersten Vorführungen des Weihnachtsdufts "Physis" zeigte sich ein vielschichtiges Bild bei den Leuten. Die Wahrnehmungen von Düften und die Geruchsempfindungen sind immer sehr persönlich und individuell. Aktuell haben wir vereinzelt schon Anfragen zu unseren vier Düften bekommen. In Gesprächen begegnen aber auch zurückhaltende Stimmen. Mit diesen Stimmen beschäftigen wir uns ebenfalls, weshalb im Buch auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt erscheinen wird. Insgesamt möchten wir mit der "zap:aerothek" dazu einladen, das Thema Duft im Kirchenraum und Kirchenjahr auf eine innovative und inspirierende Weise zu entdecken.