Tagung des evangelischen Kirchenparlaments zu Ende gegangen

Missbrauch: EKD-Synode beschließt verbesserte Betroffenenbeteiligung

Veröffentlicht am 10.11.2021 um 18:12 Uhr – Lesedauer: 

Bremen ‐ In Zukunft sollen Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche mehr Mitsprache bei der Aufarbeitung haben. Dafür stellte die Synode der EKD die Weichen. Die neu gewählte Ratsvorsitzende Annette Kurschus versprach, sich das Thema zur Chefinnensache zu machen.

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Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich für eine stärkere Beteiligung von Betroffenen an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ausgesprochen. Die 128 Delegierten des digital tagenden Kirchenparlaments stimmten am Mittwoch einer Beschlussvorlage zu, die vorsieht, eine synodale Kommission zum Thema Aufarbeitung und Prävention einzurichten. Der Antrag erhielt 104 Stimmen.

Darin heißt es, dass das Thema Missbrauch wiederkehrend auf den Jahrestagungen der Synode auf der Tagesordnung stehen soll. Die synodale Kommission soll die Synodentagungen inhaltlich vorbereiten und dazu auch mit anderen Stellen in der EKD, externen Experten und Betroffenen zusammenarbeiten. "Das Präsidium trägt dafür Sorge, dass auch Perspektiven von betroffenen Personen zur inhaltlichen Arbeit der Synode einfließen und mit ihnen diskutiert werden", heißt es wörtlich in dem Beschlussantrag.

Doch wie genau die synodale Kommission aussehen könnte, blieb noch unklar. EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich sagte bei der am Mittwochabend zu Ende gehenden Synodentagung vor Journalisten, dass man innerhalb des Präsidiums darüber nun ausführlich beraten müsse.

Betroffene warfen EKD zuvor Versagen bei der Aufarbeitung vor

Bislang hatte sexualisierte Gewalt keinen festen Platz in der Synodenstruktur. Auf Ebene der EKD gibt es den Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, der vom EKD-Rat berufen wird, und eine Fachstelle im EKD-Kirchenamt in Hannover. Mit der synodalen Kommission soll nun eine Lücke in der evangelischen Basisdemokratie geschlossen werden.

Betroffene von Missbrauch hatten in Statements vor der Synode am Montag der EKD Versagen bei der Aufarbeitung vorgeworfen. Vor allem die Aussetzung des erst im vergangenen Herbst berufenen Betroffenenbeirats, der die EKD eigentlich in Sachen Transparenz und betroffenensensibler Aufarbeitung beraten sollte, hatte Enttäuschung ausgelöst. In einem weiteren Beschlussantrag, der ebenfalls mit großer Mehrheit angenommen wurde, forderte die Synode eine Verstärkung und Neuausrichtung der Betroffenenbeteiligung.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Annette Kurschus steht seit 2012 als Präses an der Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen und wurde am Mittwoch zur neuen Ratsvorsitzenden der EKD gewählt.

Beschlossen wurde auch, dass die Stellen in der Fachstelle im EKD-Kirchenamt entfristet werden. Bislang galten sie als Projektstellen und waren bis 2023 befristet. Die Änderung des Stellenplans werde mit dem nächsten Haushaltsbeschluss vorgenommen, hieß es.

Zudem wollten die Delegierten am Nachmittag über einen Antrag zur Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts beraten. Die Umsetzung liege allerdings nicht bei der Synode, sagte EKD-Synodenpräses Heinrich. Sie könne nur einen Impuls geben, in der Pflicht seien die 20 evangelischen Landeskirchen, die sich in der EKD zusammengeschlossen haben.

Neue Ratsvorsitzende Kurschus steht für Neuausrichtung

Die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hatte am Mittwochmorgen in der Dankesrede nach ihrer Wahl die Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch zur Chefinnensache erklärt. Vor Journalisten bekräftigte sie, dass sie an der bisherigen Aufarbeitungsstruktur mit dem EKD-Beauftragtenrat festhalten wolle. Der Rat werde sich nun mit der Neuausrichtung der Betroffenenbeteiligung befassen. Die 58-Jährige will vor allem geistlich-theologisch wirken und könnte damit andere Akzente setzen als ihr Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm, der stets die politische Dimension des Evangeliums hervorgehoben hatte.

Die EKD-Synode beschloss vor Abschluss ihrer viertägigen Beratungen am Mittwoch zudem die Entfristung der zuständigen Fachstelle auf EKD-Ebene. Zwei Personalstellen würden Ende 2023 andernfalls auslaufen. Das soll im nächsten Haushalt berücksichtigt werden. Der Haushalt für 2022 wurde vom Kirchenparlament unverändert verabschiedet. Er umfasst 246,1 Millionen Euro. Insgesamt stellt sich die EKD angesichts des Mitgliederverlusts und Einbrüchen bei der Kirchensteuer auf Einsparungen ein. (mfi/epd)