Vorsichtiger Reformer: Bischof Helmut Dieser fünf Jahre in Aachen
Schon am ersten Tag seiner Amtszeit wirbt der Aachener Bischof Helmut Dieser für ein ihm zentrales Anliegen: die Einheit in der katholischen Kirche. "Lasst uns gemeinsam Kirche sein, nicht elitär oder verschroben, sondern füreinander, für unsere heutige Welt", predigt er am 12. November 2016 während des Gottesdienstes zu seinem Amtsbeginn. An der Kirche müsse "synodal" weiter gebaut werden – also gemeinsam durch Kleriker und Laien.
"Synodal" ist fünf Jahre später zu einem der wichtigsten Begriffe in der katholischen Kirche geworden: In Deutschland haben sich Bischöfe und Laien 2019 auf den sogenannten Synodalen Weg gemacht, um Reformen einzuleiten. Und Papst Franziskus hat vor Kurzem einen ähnlichen Prozess für die ganze Weltkirche gestartet.
Vorsichtige Reformen
Auch Deutschlands westlichstes Bistum mit seinen knapp eine Million Mitgliedern ist nicht vor sinkenden Katholiken- und Priesterzahlen gefeit. Antworten für die Zukunft soll der von Dieser gestartete "Heute bei dir"-Prozess liefern, erste Beschlüsse sollen im kommenden Jahr fallen. Dann finden erneut sogenannte Synodalversammlungen statt, an denen neben Dieser auch Vertreter von Priestern und Laien teilnehmen.
Das Konzept zeigt, dass Dieser aus den Startschwierigkeiten des Projekts gelernt hat. Als der Bischof und sein Generalvikar Andreas Frick den Prozess im Januar 2018 vorstellten, zielte der vor allem auf Kirchenferne "quer zu den bestehenden Zuständigkeiten" ab. An der Basis rumorte es. Priester sowie Haupt- und Ehrenamtliche sahen sich übergangen und ihre Arbeit nicht wertgeschätzt.
Reformen anstoßen und dabei keinen verschrecken – das scheint nun Diesers Vorsatz zu sein. Auch für den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Dort leitet der gebürtige Rheinland-Pfälzer mit der Geschäftsführerin des Hildegardis-Vereins, Birgit Mock, das Forum zu Sexualität und Partnerschaft. Wiederholt forderte er eine Öffnung der katholischen Sexuallehre, etwa mehr Akzeptanz für Homosexuelle. Oft drückte er sich dabei vorsichtig abwägend aus.
"Zeichen der Reue" von Altbischof und früherem Generalvikar
Entschlossen packte der 59-Jährige die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in seiner Diözese an. Eine im vergangenen November vorgelegte Untersuchung beleuchtete auch die Frage, wie Führungskräfte mit beschuldigten Priestern umgingen. Namentlich belastet werden neben bereits gestorbenen Amtsträgern Altbischof Heinrich Mussinghoff und der frühere Generalvikar Manfred von Holtum, von denen Dieser "Zeichen der Reue" verlangte. Sie hätten häufig eine "unverdiente Milde" gegenüber verdächtigten und verurteilten Geistlichen walten lassen und diese oft wieder in der Seelsorge eingesetzt, so die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW).
Es handelt sich um jene Sozietät, der das Erzbistum Köln das Vertrauen entzog, weil es ein eigenes Aufarbeitungsgutachten für nicht rechtssicher einschätzte. Dieser ließ sich von den Kölner Querelen nicht beirren und hielt an WSW fest. Rechtsstreitigkeiten hat es bislang nicht gegeben.
Sorgenkind Garzweiler
Heikle Fragen ergeben sich derzeit eher am Braunkohletagebau Garzweiler. Dort sollten eigentlich weitere Dörfer wegen der Kohleförderung abgerissen werden. Im März erklärte die nordrhein-westfälische Landesregierung allerdings, über die Zukunft der Ortschaften erst 2026 endgültig zu entscheiden. Der Entwidmung der Kirche in dem Dorf Keyenberg stimmte Dieser zunächst nicht zu, weil ein Erhalt der Ortschaft nicht ausgeschlossen war und ist. Inzwischen gab er diesem Schritt doch seinen Segen – vor allem mit Blick auf die belasteten Ehrenamtlichen vor Ort. Ein Teil von Keyenberg ist bereits umgesiedelt, im neuen Dorf wird eine neue Kirche gebaut.
Umwelt- und Klimaschutz sind Dieser dennoch ein Anliegen. Nach der Flutkatastrophe im Juli, die auch das Bistum Aachen traf, zeigte er sich in einem Offenen Brief erschüttert. Im besonders hart getroffenen Ahrtal im Nachbarbistum Trier verbrachte Dieser seine Kaplansjahre. In dem Brief erwähnt er das Leid nach dem Unwetter, die Bilder von Verwüstung und Tod, die Sprachlosigkeit und das Weinen. "Die schönen Ortsbilder, die mir sehr vertraut sind, wurden zerstört." An all dem nehme er "aus enger Verbundenheit" Anteil.