Mehrheit der Priester nicht für drei Prozent Täter in Haftung nehmen

Kardinal Sarah: Struktur der Kirche keine Ursache für Missbrauch

Veröffentlicht am 26.11.2021 um 12:25 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Kardinal Robert Sarah wendet sich dagegen, die Ursache des Missbrauchs im Priesterbild der Kirche zu sehen. Angesichts der Krise des Priestertums warnt er davor, den Missbrauch und seine Betroffenen für Reformen zu instrumentalisieren.

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Der emeritierte Kurienkardinal Robert Sarah sieht die Ursachen für den Missbrauch in der Kirche nicht in ihrer Struktur. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung "Le Figaro" (Mittwoch) bezeichnete er die "schweigende Nachlässigkeit anlässlich der Schwere der Sünde" als "System". Zu lange sei Barmherzigkeit mit Nachgiebigkeit gegenüber der Sünde verwechselt worden. Wenn es eine institutionelle Verantwortung gebe, dann liege sie darin, "dass wir es versäumt haben, das Böse beim Namen zu nennen". Die Kirche habe angesichts der Schwere der Sünde einen "schrecklichen Leichtsinn" an den Tag gelegt.

Das habe aber weder mit dem Priestertum an sich noch der kirchlichen Lehre über das Priesteramt zu tun. "Ich weiß, dass einige versucht sind, eine neue Gestalt des Priesters oder sogar eine neue Kirche zu erfinden", so Sarah. Das sei aber vergeblich: "Nur weil einige Priester ihre väterliche Rolle oder ihre Autorität missbraucht haben, um sie zum Instrument ihrer Perversion zu machen, heißt das nicht, dass man leugnen sollte, dass der Priester Vater ist und dass er kraft seiner sakramentalen Weihe eine Leitungsaufgabe hat." Sünde sei weder psychologische Schwäche noch notwendige Folge einer sozialen Struktur. Es wäre unverantwortlich, die Schuld der Täter auf die Struktur der Kirche zu schieben. "Wir sollten uns davor hüten, das Leid der Opfer zu instrumentalisieren, um eine Ideologie voranzutreiben", so Sarah weiter.

Nur drei Prozent Täter unter den Priestern

Angesichts der Ergebnisse der Studie über den Missbrauch in der französischen Kirche betonte der Kardinal, dass es ungerecht sei, den Missbrauch, den drei Prozent der Priester begangen hatten, den restlichen 97 Prozent anzulasten und zu instrumentalisieren, "um das Priestertum an sich in Frage zu stellen". Man könne das Priesterbild nicht als "an sich schädlich" betrachten. Priester seien durch die Weihe auf Christus hingeordnet. Diese Hinordnung verpflichte sie, die Radikalität des Evangeliums auf besondere Weise zu leben.

Der ehemalige Präfekt der Liturgiekongregation äußerte sich anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Buchs "Pour l'éternité" ("Für die Ewigkeit"), in dem er sich mit der Krise des Priestertums angesichts des Missbrauchsskandals auseinandersetzt. Eine von der französischen Bischofskonferenz beauftragte unabhängige Untersuchung hatte ergeben, dass es seit 1950 in Frankreich 330.000 Missbrauchsbetroffene und bis zu 3.200 Täter in der Kirche gegeben hatte. Auch in Deutschland gibt es grundsätzliche Anfragen an Rolle und Stellung von Priestern. Beim Synodalen Weg befasst sich ein eigenes Synodalforum mit dem Thema "Priesterliche Existenz heute". Dessen Ergebnisse wurden bei der zweiten Synodalversammlung Anfang Oktober kontrovers diskutiert. Mit knapper Mehrheit wurde ein Antrag angenommen, das Synodalforum zu beauftragen, die Notwendigkeit des Priesteramts noch einmal besonders zu diskutieren. (fxn)