Fernsehdoku über ein gehyptes und umstrittenes Kunstwerk

Vom Weltenretter zum Phantom – da Vincis "Salvator Mundi"

Veröffentlicht am 27.11.2021 um 10:27 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Die Geschichte gleicht einem Krimi: Anfang der 2000er für wenige Dollar erstanden, wurde Leonardo da Vincis "Salvator Mundi" zuletzt für 450 Millionen versteigert. Seitdem ist das Kunstwerk verschwunden – über die Echtheit wird weiter gestritten.

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Das Gemälde "Salvator Mundi" (Erlöser der Welt) – ein blau gekleideter Christus mit einer Kristallkugel und einer zum Segensgruß erhobenen Hand – wurde entweder von dem berühmten Renaissance-Künstler Leonardo da Vinci selbst gemalt oder von einem Mitarbeiter aus seiner Werkstatt, erzählt der französische Dokumentarfilmer Antoine Vitkine. Das Bild sollte, wenn es nach seinem letzten Käufer, dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ging, im Pariser Louvre direkt neben der "Mona Lisa" ausgestellt werden.

Doch der Louvre meldete Zweifel an der Echtheit an. Dabei hatte der Bieter 450 Millionen US-Dollar bezahlt und die Herkunft seinerseits durch andere Experten bescheinigen lassen. Das umstrittene Kunstwerk ist zur Zeit verschwunden und soll sich laut Recherchen von Journalisten auf der Yacht des Prinzen oder in einem Tresorraum im Freihafen von Singapur befinden. 3sat strahlt den spannenden Dokumentarfilm "Salvator Mundi – Kunst als Investitionsgeschäft" an diesem Samstag um 20.15 Uhr aus.

Da Vincis Original oder Kopie seiner Mitarbeiter?

Der wie ein Kunstkrimi inszenierte Film beginnt 2005 in einem kleinen Auktionshaus in New Orleans. Dort ersteigerte der New Yorker Kunsthändler Robert Simon eine offensichtlich sehr alte und stark übermalte Darstellung des "Salvator Mundi" für 1.175 US-Dollar. Er kannte die Historie des Bildes und fragte sich, ob es sich möglicherweise um das etwa 1500 von da Vinci selbst gemalte Original handeln könnte. In dessen Werkstatt waren in der Folge etwa 20 Versionen des "Salvator Mundi" entstanden – überwiegend gemalt von seinen Mitarbeitern. Zurück in New York findet die beauftragte Restauratorin Dianne Modestini neue Hinweise, dass es sich um einen echten Leonardo handeln könnte, erzählt Simon.

2011 entschied sich der Kurator Luke Syson von der National Gallery London, Simons inzwischen restauriertes Exemplar des "Salvator Mundi" unter Einbindung von fünf Experten in eine geplante große Da-Vinci-Ausstellung aufzunehmen. Syson überließ es der Öffentlichkeit, die Zuschreibungen der Kunsthistoriker über die Echtheit zu beurteilen, erzählt der Filmemacher. Syson sei es wichtig gewesen, die Spezialisten anzuhören; er habe aber auch gewollt, dass das, was die Betrachter beim Anblick eines Kunstwerks empfinden, eine Rolle spielen sollte.

Bild: ©iphotographer62 - stock.adobe.com

Leonardo da Vinci (1452-1519) gilt als Universalgenie der Renaissance: Er war Künstler, erfindungsreicher Ingenieur, Anatom und Botaniker. Zu seinen berühmtesten Werken zählt die Mona Lisa und das Fresko vom Letzten Abendmahl.

Der Kult um das Gemälde schien nach der Ausstellung in der renommierten National Gallery nicht mehr aufzuhalten. Der weitere Weg des Kunstwerks war abenteuerlich und wird in dem Dokumentarfilm über viele Stationen verfolgt. Auch der in Monaco lebende russische Oligarch Dimitri Rybolowlew erfuhr von dem Bild und konnte es offenbar über mehrere seriöse, aber auch einige betrügerische Zwischenhändler 2012/13 ersteigern. Als sich der Oligarch später entschloss, den "Salvator Mundi" zu verkaufen und ihn vom Auktionshaus Christie's versteigern zu lassen, beauftragte dieses dazu erstmals eine Profi-Werbeagentur.

Die Filme der perfekt inszenierten Kampagne machten das Gemälde endgültig zur Ikone, zeigt Vitkine. Darin waren Menschen zu sehen, die bei der Betrachtung des Weltenretters in Tränen ausbrachen. 2017 wurde das Gemälde schließlich bei einer Auktion in New York für 450 Millionen Dollar an einen anonymen Bieter verkauft.

"Kunsthandel ohne kunsthistorische Seriosität"

Danach verschwand es, bis Journalisten herausfanden, dass die Spur nach Singapur und zu Mohammed bin Salman führte. Dass der Pariser Louvre entschieden hatte, das Bild in seiner großen Da-Vinci-Ausstellung nicht zu zeigen, spielte vermutlich eine Rolle für den spektakulären Kaufpreis.

"Der Film folgt den Spuren von Geld, Macht und Betrug bis in höchste Regierungskreise und entlarvt einen Kunsthandel ohne kunsthistorische Seriosität", so Dokumentarfilmer Vitkine. Er zeige, "wie der Kunstmarkt ein unbedeutendes Werk zum Mythos machte". Der Abspann hält noch eine Überraschung der Redaktion bereit und illustriert die Sicht kreativer Zeitgenossen auf das umstrittene Gemälde. Insgesamt ein spannend inszenierter Kunstkrimi, auch wenn er in der Mitte einige Längen aufweist.

Von Heide-Marie Göbbel (KNA)