Einsamkeit im Alter: Eine Gefahr für Priester im Ruhestand
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"Die Einsamkeit des Priesters wird wenig thematisiert." Prälat Roman Mensing weiß, wovon er spricht, denn er ist bereits seit mehr als fünf Jahrzehnten Priester. 1957 wurde der hochgewachsene Mann in Paderborn geweiht. "Man muss sich mit der Einsamkeit nicht erst im Alter auseinandersetzen", sagt der 91-Jährige, während er etwas in sich zusammengesunken auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer sitzt. Die Einrichtung seines Bungalows zeugt von den Interessen des Geistlichen: Hinter ihm volle Bücherregale, an den Wänden asiatische Zeichnungen, auf einer Kommode steht neben dem Kreuz eine Buddha-Statue. Bereits als junger zölibatär lebender Geistlicher sei der Umgang mit dem Alleinsein ein wichtiges Thema. "Früher habe ich die Einsamkeit weniger gespürt als jetzt im Ruhestand", gibt Mensing zu. Mit einer Einschränkung: Wenn man krank wird und deshalb die Tage für einige Zeit nicht mehr durch die Arbeit strukturiert sind, "dann spürt man die Einsamkeit sofort".
Grundsätzlich macht Mensing nicht den Eindruck, ein einsamer Mensch zu sein. Früher war er zunächst als Pfarrvikar, dann als Religionslehrer und schließlich für 17 Jahre als Schulleiter eines kirchlichen Gymnasiums in seiner Heimaterzdiözese Paderborn tätig. Beim Eintritt in den Ruhestand vor mehr als zwei Jahrzehnten gibt er auf sich Acht: "Ich wollte nicht, dass es ein Fall ins Leere wird", sagt Mensing. Daher nutzt er als Pensionär seine freigewordene Zeit und Arbeitskraft für Tätigkeiten, die er vorher neben dem Schuldienst ausübt: Mensing engagiert sich mehrere Jahre beim Aufbau der Schulpastoral, hält Vorträge, bietet Fortbildungen an, verfasst Bücher und besucht regelmäßig die Schulen des Erzbistums Paderborn. Die Arbeit in kirchlichen Bildungsbereich ist ihm ein Herzensanliegen, denn "funktionierende kirchliche Schulen sind neben den Pfarreien die wichtigsten pastoralen Zentren eines Bistums". Außerdem schreibt Mensing an der Bistumsgeschichte Paderborns mit, veröffentlicht zu diesem Thema wissenschaftliche und an ein breites Publikum gerichtete Literatur.
Ein wichtiger Rat an Ruhestandspriester
Sein Rat für jeden Ruhestandspriester ist es, eine klare Perspektive zu haben, denn sonst könne sich das Wegfallen der tragenden Struktur des Arbeitstages in Pastoral oder Schule negativ auswirken – zumal es oft keine stützende Partnerin im Hintergrund gebe. Aus diesem Grund zog Mensing nach seiner Pensionierung aus dem Erzbistum Paderborn nach Bad Godesberg in Bonn, denn hier lebt die Familie seines Bruders. "Wir wohnen hier sogar in derselben Straße", sagt der Prälat. Bis heute steht er in engem Kontakt mit seiner Familie, die ihm auch bei der Bewältigung des Alltags hilft. Mit fortschreitendem Alter schraubte Mensing die Tätigkeit für das Erzbistum Paderborn zurück und engagierte sich mehr und mehr in der Kirchengemeinde seines Wohnorts, feierte Gottesdienste, spendete Taufen und hielt Beerdigungen. Obwohl er als Ruheständler eigentlich nur mithilft, sehen viele Gemeindemitglieder des vom Zentrum etwas abgelegenen Kirchorts Mensing als "ihren" Pfarrer an. Über die "Akzeptanz und Aufnahme in der Gemeinde" ist der ehemalige Schulleiter sehr froh – und auch etwas stolz. Denn diese "pastorale Perspektive" im Ruhestand war ihm besonders wichtig. Schließlich gebe man die Priesterweihe nicht mit der Pensionierung ab.
Die Übergänge vom aktiven Dienst als Priester in den Ruhestand sind auch nach den Erfahrungen von Hermann Wieh oft kontinuierlich und nicht von einem Abbruch geprägt. "Viele Priester wollen auch als Pensionäre in der Pastoral mitarbeiten", weiß der Domkapitular, der im Bistum Osnabrück für den Kontakt zu den Ruhestandsgeistlichen zuständig ist. Die Art und Weise, wie dies konkret aussehe, sei jedoch individuell: "Einige Priester ziehen bewusst in eine andere Pfarrei, andere gehen in die Heimat zurück, um dort mit der weiteren Familie zu leben, wieder andere bleiben dort, wo sie vorher pastoral tätig waren", so Wieh. Dabei seien teilweise auch praktische Gründe ausschlaggebend, etwa, wenn ein Priester das Elternhaus geerbt habe, in dem er nun wohnen wolle, oder es die Pfarrhaushälterin zu ihren Geschwistern ziehe.
Künftig Kurs für angehende Pensionäre
Im Bistum Osnabrück liegt das reguläre Eintrittsalter in den Ruhestand bei 70 Jahren. Der Dienst als Pfarrer einer Kirchengemeinde sei maximal fünf Jahre länger möglich, bei gesundheitlichen Problemen könne die Pensionierung regulär frühestens mit 65 Jahren erfolgen, so Wieh. In den anderen Diözesen gebe es ähnliche Regelungen. Dabei sei der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand meist eine sehr persönliche Frage: "Es gibt Mitbrüder, die sich kein anderes Leben als das eines Pfarrers vorstellen können." Andere Priester würden sich wiederum auf mehr Zeit für Hobbies und Reisen freuen. In jedem Fall habe es sich bewährt, das Thema Ruhestand frühzeitig in die Priesterfortbildungen und Weihekurstreffen zu integrieren, sagt der Osnabrücker Domkapitular. Künftig werde es sogar einen Kurs zu dem Thema in der Katholischen Akademie des Offizialatsbezirks Vechta geben.
Ein Problem stelle jedoch der Kontakt zu den Ruhestandspriestern dar, sorgt sich Wieh. "Die bislang angebotenen Reisen für die Pensionäre sind nicht mehr so stark nachgefragt, viele machen lieber individuell Urlaub, wie in der aktiven Zeit der Berufstätigkeit." Daher sei die Einladung zu den regulären Priesterfortbildungen bis zum 75. Lebensjahr sehr wichtig. "So bleiben unsere Ruheständler mit ihren früheren Kollegen in Kontakt", weiß Wieh. Es gebe auch Fälle von Priestern, die im Alter vereinsamten. "Doch in einem kleinen Bistum wie Osnabrück spricht sich das schnell herum und man besucht sich gegenseitig." Wer als Priester einsam lebe, tue dies deshalb wohl auch ein Stück weit, weil er sich dafür entschieden habe, so Wieh. Von großer Bedeutung sei daher, dass Priester enge Freundschaften pflegen würden – "und das nicht nur zu anderen Klerikern". Dies werde bereits bei der Priesterausbildung thematisiert und sei der beste Schutz gegen Einsamkeit im Alter.
Aktion #jetzthoffnungschenken
Die Zahlen sind erschreckend: Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich einsam. Und es sind nicht nur ältere Menschen betroffen. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Dabei reichen oft nur kleine Gesten wie ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein offenes Ohr oder etwas Zeit, um seinem Gegenüber Hoffnung zu schenken. Mit der Aktion #jetzthoffnungschenken will das Katholische Medienhaus in Bonn gemeinsam mit zahlreichen katholischen Bistümern, Hilfswerken, Verbänden und Orden im Advent 2021 einen Beitrag gegen Einsamkeit leisten. Erfahren Sie mehr auf jetzthoffnungschenken.de.