Erzwungene Rücktritte würden nicht zu Erneuerung beitragen

Mertes: Kirche steht wegen früherer Personalpolitik vor Scherbenhaufen

Veröffentlicht am 28.12.2021 um 17:24 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Der Umgang von Papst Franziskus mit Rücktrittsangeboten deutscher Kardinäle hat in den vergangenen Monaten zu Unverständnis und Kritik geführt. Der Jesuit Klaus Mertes glaubt nicht, dass es im Klerus Ersatz gäbe, der es besser machen würde.

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Der Jesuit Klaus Mertes sieht die Kirche "vor dem Scherbenhaufen von 30 oder mehr Jahren verfehlter Personalpolitik". In einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag für die in Freiburg erscheinende Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" macht er dabei vor allem "die Vorgänger von Papst Franziskus" verantwortlich, die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI.

Mertes glaubt zudem nicht, dass Rücktritte von Bischöfen, "die durch öffentlichen Druck oder päpstlichen Befehl erzwungen werden", zur Erneuerung der Kirche beitrügen. "Denn was soll nach den Rücktritten kommen? Mein Vertrauen auf die möglichen Nachfolger, die jetzt noch in der zweiten Reihe stehen, ist nicht sehr ausgeprägt."

Franziskus sei keine "Lichtgestalt" an der Spitze der kirchlichen Hierarchie

Wirkung könnten Rücktritte nur entfalten, wenn sie aus dem eigenen Willen der zurücktretenden Personen kämen, so Mertes. "Aber dazu wäre ein Schritt über die Grenzen des Systems notwendig, nämlich der, nicht den Papst um die Annahme eines Rücktrittsgesuchs zu bitten, sondern selbst definitiv zurückzutreten. Vielleicht täte man ja dadurch Franziskus einen Dienst, wenn man diese Grenze einmal überschreitet."

Er sehe in Papst Franziskus keine "Lichtgestalt an der Spitze der Pyramide", von der allein Rettung für die Kirche ausgehe, so Mertes. Ein solcher Gedanke wäre eine "institutionsnarzisstische Projektion". Die bisweilen heftige Kritik an Entscheidungen von Franziskus sei eine Spiegelung dieses Narzissmus, "nur eben in der enttäuschten Variante".

Persönlich freue er sich über das Wirken des Papstes, gab Mertes zu. "Seit Franziskus auf dem Stuhl Petri sitzt, weht ein frischer Wind durch die Kirche." Die Enttäuschung über dessen Handeln sei verständlich, auch habe der Papst beim Thema Missbrauch "erheblich Lehrgeld zahlen" müssen. "Allerdings: Wer von uns nicht? Da wird noch einiges gesamtkirchlich sacken müssen." (rom/KNA)