Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

Die Hochzeit zu Kana: Gehorsamkeit oder Vertrauen?

Veröffentlicht am 15.01.2022 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Schwester Christine Klimann möchte die Dinge um sie herum verstehen und hat sie gerne unter Kontrolle. Im heutigen Sonntagsevangelium erkennt sie aber, dass es manchmal auch die Fähigkeit braucht, Kontrolle abzugeben – und dass es bisweilen genügt, Wasser zu schöpfen.

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Impuls von Schwester Christine Klimann

Ich mag es, wenn ich die Dinge unter Kontrolle habe. Zumindest einigermaßen. Meistens kann ich gut begründen, warum ich etwas tue. Und wenn jemand etwas von mir verlangt, muss er mir das schon so erklären, dass ich die Sache einleuchtend finde. In meinem Zimmer hängt ein Bild mit dem Spruch von Hannah Arendt: "Keiner hat das Recht zu gehorchen". Ich finde, das stimmt, und bin froh, dass ich in einer Zeit und Gesellschaft lebe, die größtenteils diese Sichtweise teilt.

Im heutigen Evangelium aber lese ich, dass die aufmerksame Maria, die erkannt hat, dass es ein Problem gibt, zu den Dienern sagt: "Was er euch sagt, das tut." Sie gibt keine Erklärung, appelliert ganz einfach an den Gehorsam, den die Diener schon aufgrund ihres Berufes sicherlich gewohnt waren. Und tatsächlich, Jesus gibt ihnen eine klare Anweisung, die nur leider absurd ist. Welchen Sinn soll es haben, sechs riesige Krüge mit Wasser zu füllen? Und ist es nicht eine Zumutung, ja, eine Beleidigung, dieses Wasser dann dem Chef des Events zu bringen und so zu tun als ob nichts wäre?

Aber es ist etwas geschehen, das die Diener nicht ahnen konnten. Das Wasser war nicht mehr Wasser, sondern Wein. Nun kann man es sich natürlich leicht machen und die Geschichte metaphorisch verstehen. Es stimmt ja auch: Der Evangelist erzählt die Geschichte nicht, um Jesus als einen Magier darzustellen, der Frei-Wein für alle zaubert, sondern um von einem Zeichen zu berichten, mit dem Jesus sich als der Messias, als der wahre Bräutigam der Menschheit erweist.

Aber die Herausforderung bleibt. Vielleicht geht es in diesem Evangelium gar nicht so sehr um Gehorsam, sondern um Vertrauen. Um die Fähigkeit, Kontrolle auch einmal loszulassen, und etwas zu tun, dessen Sinnhaftigkeit ich heute nicht voll einsehe oder abschließend beurteilen kann. Damit leben, dass sich mir ein größerer Zusammenhang, ein volleres Bild erst später erschließt. Es gibt wohl wenige Lebensgeschichten, denen eine solche Erfahrung nicht an der einen oder anderen Stelle abverlangt würde. In Zeiten der Pandemie, mit dem latenten Gefühl von Gefahr und den vielen widersprüchlichen Informationen ist die Spannung zwischen Kontrolle und Vertrauen noch einmal größer. Wo gilt es, an meiner Sichtweise, meinem Lebensgefühl und meinen Bedürfnissen festzuhalten und wo kann ich mich und meine Position auch einmal in Frage stellen lassen?

Es bleibt eine Gratwanderung. Denn aus der Verantwortung davonstehlen können wir uns nicht. Aber mir würde es wahrscheinlich nicht schaden, nicht nur mein Kontrollbedürfnis zu pflegen, sondern auch meine Fähigkeit zu vertrauen zu kultivieren. Und das wäre auch eine Erleichterung. Denn ich muss mein Leben nicht selbst tragen und ich muss auch nicht immer besten Wein ausschenken. Manchmal genügt es, wenn ich Wasser schöpfe – im Vertrauen darauf, dass es da einen gibt, der alles verwandeln kann.

Von Schwester Christine Klimann

Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 2, 1–11)

In jener Zeit fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!

Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm. Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es.

Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.