Mate-Tee – Das Lieblingsgetränk von Papst Franziskus
Vor der Corona-Pandemie war es ein gewohnter Anblick bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz: Papst Franziskus fährt mit seinem Papamobil durch die Menge und hält hin und wieder an, um ein Kleinkind zu segnen oder seinen Pileolus zu tauschen. Oft ließ er sein Vehikel aber auch stoppen, um einen Schluck Mate-Tee zu trinken, den ihm meist Gläubige aus Lateinamerika anboten. Das Kirchenoberhaupt aus Argentinien gilt als großer Freund der "yerba mate", wie die Blätter des Aufgusses auf Spanisch heißen. Das ist kein Wunder, denn in der Heimat von Franziskus gilt Mate als Nationalgetränk.
Vor allem in Argentinien, aber auch in Paraguay und Uruguay sowie bestimmten Regionen Boliviens, Brasiliens und Chiles hat Mate-Tee eine große soziale Bedeutung. Den ganzen Tag über wird er von Einzelpersonen aller gesellschaftlichen Schichten, aber vor allem in Gemeinschaft getrunken: Im Kreis der Familie, unter Freunden oder Arbeitskollegen wird das Gefäß, in dem die kleingeschnittenen Mate-Blätter mit warmem Wasser übergossen werden, herumgereicht und jeder nimmt einen Schluck des belebenden Getränks aus einem metallenen Strohhalm mit Sieb, der "bombilla". Meist wird Mate in einem ausgehöhlten Kürbis zubereitet, dem "matero", es gibt aber auch Trinkgefäße aus Holz, Plastik, Ton oder Porzellan. Einige "materos" sind mit Silber beschlagen, besitzen kleine Füßchen und sind künstlerisch reich verziert. In der indigenen Sprache Quechua bedeutet das Wort "mati" so viel wie Trinkgefäß und hat damit wohl auch der Pflanze ihren Namen gegeben. Vor dem Hintergrund der gemeinschaftsstiftenden Bedeutung von Mate lässt sich verstehen, warum Franziskus immer wieder aus den Gefäßen von ihm nicht bekannten Menschen trinkt: Er möchte Ihnen seine Nähe und Zugewandtheit demonstrieren.
Die Begeisterung des Papstes für Mate könnte aber auch damit zusammenhängen, dass der heiße Trank gelegentlich als "Jesuitentee" bezeichnet wird. Der Jesuitenorden, dem auch Franziskus angehört, domestizierte den Mate-Strauch im 17. Jahrhundert und ermöglichte so den systematischen Anbau der koffeinhaltigen Stechpalmen-Gattung auf Plantagen. Bereits vor der Eroberung Lateinamerikas war der Konsum der wild wachsenden Mate-Blätter bei vielen indigenen Völkern weit verbreitet. Die Konquistadoren hatten jedoch ein zwiegespaltenes Verhältnis zur Pflanze: Zum einen waren sie von der aktivierenden Wirkung des Mate-Aufgusses fasziniert und trugen dazu bei, dass sich der Genuss des Tranks weiterverbreitete. Zum anderen sahen sie das Trinken von Mate als gefährlich an, da es ihnen als berauschende und aphrodisierende Droge galt. Auch an den zahlreichen vorchristlichen Legenden, die mit der Mate-Pflanze in Verbindung standen, störten sich die neuen katholischen Machthaber.
Deshalb brachten die Jesuiten, die einige Jahrzehnte zuvor in Lateinamerika Fuß gefasst hatten, die Mate-Problematik im Jahr 1610 vor das Tribunal der Heiligen Inquisition in Lima. Sechs Jahre später wurde daraufhin der Konsum des stimulierenden Aufgusses unter Androhung der Exkommunikation verboten. Weil sich die zum Christentum bekehrten Ureinwohner wegen dieses strengen Verbots wieder vom Glauben der Missionare abwandten, wurde der Mate-Konsum aber rasch wieder erlaubt. Die Jesuiten wurden sogar zu den größten Förderern von Mate, weil sie im Genuss des Tees einen Weg sahen, den unter den Indigenen um sich greifenden Alkoholismus und seine verheerenden gesundheitlichen und sozialen Folgen zurückzudrängen.
In den von 1609 bis 1767 vor allem auf dem Gebiet des heutigen Paraguay bestehenden Jesuiten-Reduktionen kultivierten sie die Pflanze. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Mate-Blätter sicherten das Überleben der Jesuitenstaaten, die zur Christianisierung, aber auch zum Schutz der Ureinwohner vor Sklaverei errichtet worden waren. Nach der Verbannung der Jesuiten 1767 aus Südamerika verfielen neben den Siedlungen auch die Mate-Plantagen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden sie wieder zum kommerziellen Anbau der Pflanze genutzt.
Heute gehört Brasilien zu den größten Produzenten von Mate mit einer jährlichen Ernte von mehr als 500.000 Tonnen, gefolgt von Argentinien mit 300.000 Tonnen und Paraguay (126.000 Tonnen). Doch nicht nur in Lateinamerika, auch im Nahen Osten ist das belebende Getränk beliebt. Besonders in Syrien und im Libanon wurde Mate durch in den 1970er Jahren in die Levante zurückkehrende Migranten aus südamerikanischen Ländern bekannt. Vor dem Bürgerkrieg war Syrien das wichtigste Exportland für Mate außerhalb Amerikas. Ein Grund des Erfolgs von Mate in dieser Region besteht darin, dass das berauschende Getränk für Muslime eine alkoholfreie Alternative zu Kaffee oder Tee ist.
Im Heimatland von Papst Franziskus ist die Faszination für Mate bis heute ungebrochen. In neun von zehn argentinischen Haushalten wird regelmäßig Mate getrunken. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder Argentinier zwischen sieben und acht Kilogramm der Pflanze im Jahr konsumiert. Zum Stadtbild von Buenos Aires gehören deshalb Menschen, die Mate in der U-Bahn trinken oder auf dem Weg zur Arbeit neben dem Rucksack auch ein Täschchen für den Mate-Tee und die Thermoskanne mit warmem Wasser dabeihaben. Denn Mate wird mehrmals hintereinander aufgegossen und so mit wachsender Trinkzeit immer milder. Der mehrmalige Genuss der gleichen Mate-Blätter soll Medizinern zufolge jedoch zu einem erhöhten Krebsrisiko führen, da auf diese Weise karzinogene Stoffe in hoher Menge in den Körper aufgenommen werden können. Gleichzeitig wird Mate von Ärzten wegen seiner belebenden und die Verdauung fördernden Wirkung geschätzt. Auch enthält das Getränk die Vitamine A, B1, B2 und C.
In Deutschland ist Mate seit einigen Jahren vor allem als Hipster-Getränk beliebt, das aufgrund seines bitteren Geschmacks nicht jedermanns Sache ist. Für Argentinier und andere Mate-Fans aus Südamerika ist es undenkbar, deshalb auf den Genuss zu verzichten. Dort ist die Zubereitung des traditionellen Gebräus mit vielen Ritualen verbunden, die einer Zeremonie gleichkommen. So wird oft etwa der erste Aufguss weggegossen, weil er als zu bitter und verunreinigt gilt, und für das häufige Auffüllen des Trinkgefäßes wird eine Person als sogenannter "cebador" bestimmt. Seine Aufgabe ist es unter anderem, die richtige Temperatur des Wassers zu überwachen, das nicht zu heiß sein darf, damit die Mate-Blätter nicht verbrennen. Außerdem muss in einem bestimmten Winkel entlang des Metallhalms gegossen werden, damit das Wasser ideal auf die Blätter trifft.
Papst Franziskus hat im vergangenen Jahr einen sehr persönlichen Grund verraten, warum er dem Genuss des argentinischen Nationalgetränks zugetan ist. Mate helfe ihm, sich mit seinen psychischen Problemen auseinanderzusetzen, sagte das Kirchenoberhaupt in einem Interview. "Neurosen muss man Mate zubereiten. Nicht nur das, man muss sie auch streicheln." Zu diesem Zweck könnte sich Franziskus auch eine Kugel Eis gönnen, denn in Genua erfanden Gelatieri zum Besuch des Papstes 2017 ein Sorbet auf der Basis von Mate.