Nach Attacke auf Dormitio-Abtei: "Werden uns sicher nicht abschotten"
Am Samstagabend stürzte ein Sack mit Bauschutt aus dem sogenannten Griechischen Garten am Zionsberg in den Hof der Dormitio-Abtei. Dahinter soll eine kleine Gruppe jüdischer Extremisten stecken, die den Jerusalemer Benediktinermönchen immer wieder Probleme bereitet. Die Polizei ermittelt. Im Interview betont Pater Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei, dass sich das Kloster auch von dieser Angriff nicht unterkriegen lassen wird. Außerdem verrät er, was ihn nach der Attacke besonders beschäftigt.
Frage: Pater Nikodemus, wie geht es dem Konvent nach der Attacke?
Pater Nikodemus: Es klingt vielleicht komisch, aber das trifft uns nicht aus dem Nichts. Wir waren in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Attacken. Natürlich geht es uns nicht gut damit. Wir als Mönche in Jerusalem lieben und leben den interreligiösen Dialog, stehen für Frieden und Versöhnung. Das trifft einen ins Herz, wenn man dann mit Hass konfrontiert wird. Was am Wochenende das Furchtbare war, ist nicht, dass Plastikstühle und eine Regenrinne kaputtgegangen sind. Dieser Bauschutt-Sack ist aus zehn Metern Höhe auf die Sitzecke geworfen worden, wo unsere Angestellten, unsere Studierenden und wir selbst gerne sitzen. Gott sei Dank war zu dem Zeitpunkt niemand im Innenhof. Ein paar Minuten später ist ein Mitbruder ganz normal vorbeigekommen. Ich will mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn jemand auf dem Stuhl gesessen hätte.
Frage: Sie haben es bereits erwähnt: Es ist nicht der erste Angriff auf Ihr Kloster. Wie ordnen Sie den aktuellen Angriff ein?
Pater Nikodemus: Es ist sehr traurig, wie weit diese kleine, aber hasserfüllte Gruppe, die ich Hooligans der Religion nenne, geht. Ich verstehe nicht, wie man darauf kommt, einen vollen Sack Bauschutt in die Tiefe zu werfen – dorthin, wo sich immer Menschen aufhalten. Das ist ja schon versuchte schwere Körperverletzung. Ich verstehe nicht, wie man so hassen kann. Was mich aber am meisten geschockt hat: Als die Polizei eingetroffen ist, wurde auch sie von dem Mob massiv beschimpft. Diese Menschen hassen nicht nur uns Christen, uns Mönche, sie verachten auch ihre eigene Staatsautorität. Da würde ich mir wünschen, dass Israel sich diesem Problem beherzter stellt.
Frage: Warum ist ihr Kloster immer wieder im Visier von Anschlägen?
Pater Nikodemus: In unserer Nachbarschaft wird das Davidsgrab verortet, und zwar unter dem Abendmahlssaal. Wir umschließen das als Dormitio fast wie ein "U". Jeden Samstagabend kommen dort verschiedene jüdische Gruppierungen zum Feiern zusammen, darunter auch immer wieder Mitglieder der "Hügeljugend", also radikale nationalreligiöse Siedler. Es fließen Unmengen an Alkohol. Es ist also nicht so, dass wir jetzt zum ersten Mal samstagabends Probleme gehabt haben. Es werden immer mal wieder Sachen von uns beschädigt, es gibt da auch stets eine aufgeheizte aggressive Stimmung gegen uns. Aber es ist etwas anderes, wenn jemand "nur" Müll in den Garten wirft, was für uns zur Normalität eines Samstagabends gehört, verglichen mit dem, was wir diesen Samstagabend erleben mussten.
Frage: Nehmen Sie generell eine aggressivere Stimmung gegen Christen in Jerusalem wahr?
Pater Nikodemus: Ich will es so formulieren: In normalen Zeiten haben wir Unmengen an Pilger. Da ist man dann gewissermaßen mehr "beschützt": Wenn ich auf die Straße gehe, bin ich umringt von christlichen Pilgergruppen. Wenn ich jetzt teilweise auf die Straße gehe, bin ich als Mönch der einzige Christ weit und breit. Zurzeit erlebt man es wirklich, dass man eine Ein-Prozent-Minderheit ist. Natürlich ist es keinesfalls so, dass "die" Juden "die" Christen hassen. Aber diese kleine, radikale Gruppe hasst uns tatsächlich abgrundtief. Aber die hassen eigentlich alles, was nicht jüdisch ist. Sie hassen das Christliche, das Muslimische, das Arabische – und eben ihre eigene Staatsgewalt. Und da frage ich mich schon, was mit denen nicht stimmt. Wie kann man das Projekt Glaube, das Projekt Gottessuche, dermaßen pervertieren? Deswegen spreche ich immer von Hooligans der Religion. Das sind nicht die Beter. Wenn ich frühmorgens in Jerusalem unterwegs bin, da treffe ich die gläubigen Juden, die gläubigen Muslime. Wir haben kein Problem miteinander. Wir freuen uns, dass der andere mit uns Gottsucher ist. Diese kleine, verblendete Gruppe der Hooligans der Religion, würde ich gerne fragen: Was habt ihr bitte für eine Gottesbeziehung?
Frage: Welche Konsequenzen wird die Abtei aus diesem Vorfall ziehen?
Pater Nikodemus: So traurig das ist: Das Ganze ist für uns ja nicht neu. Es gibt immer wieder solche Wellenbewegungen von Angriffen. Ich vermute mal, dass die Polizei jetzt für die nächste Zeit wieder etwas aufgewacht ist, vielleicht samstagabends wieder verstärkt Präsenz zeigt. Wir werden vernünftige Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, die sinnvoll sind. Aber wir werden uns sicher nicht mit Stacheldraht und Mauern abschotten. Wir sind ein Pilgerort, ein Ort des Gebets, und wir wollen auch ein Ort sein, an dem jeder willkommen ist – egal ob Jude, Christ, Muslim oder Atheist. Wir stehen für Jerusalem als offene Stadt. Wir haben ein offenes Herz und offene Arme für die Menschen. Ich freue mich über jeden jüdischen Pilger, über jeden muslimischen Pilger. Wir erfahren natürlich auch Solidarität von jüdischer Seite. So wird uns am kommenden Sonntag die Organisation "Tag Meir" einen Solidaritätsbesuch abstatten – an ihrer Spitze Rabbiner Gadi Gvarjahu. Auch das gehört zur Realität Jerusalems. Wenn wir uns jetzt beeindrucken lassen, dann haben die gewonnen, die uns in die Angst treiben wollen.