Himmelklar – Der katholische Podcast

Beauftragter Frank Schwabe: Die Ampel und die Religionsfreiheit

Veröffentlicht am 19.01.2022 um 00:30 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ "Ich bin nicht ausgesandt, das Christentum zu verkünden", sagt der neue Religionsfreiheitsbeauftragte Frank Schwabe. Für ihn ist Religionsfreiheit ein Menschenrecht, das dem Einzelnen freistellt, woran er glauben kann – und woran nicht.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Diese Woche sprechen wir im Podcast mit dem frisch ernannten Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD). Im Kontext der Ampelkoalition möchte er sein Amt anders auffassen als die Vorgängerregierung und mehr die Freiheit des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen.

Frage: Herr Schwabe, Sie haben gerade das Amt des Beauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit der neuen Bundesregierung angetreten. Das Amt wurde erst 2018 eingeführt und Sie sind nun der zweite Beauftragte nach dem CDU-Politiker Markus Grübel. Wie fassen Sie ihr neues Amt auf?

Schwabe: Interessanterweise habe auch ich für die SPD-Fraktion vor vier Jahren darüber verhandelt. Die Union wollte dieses Amt einrichten. Im Auswärtigen Amt, das damals sozialdemokratisch geführt war, gab es eher eine Skepsis, ob man denn eines der Menschenrechte besonders herausheben sollte. Wir haben ja die Beauftragte für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, die umfassend für die Menschenrechte zuständig ist. Ich war damals durchaus offen für eine solche Idee. Aber es war eben nicht unsere Idee. Das Amt wurde ja dann auch von Herrn Grübel als CDU-Abgeordneter ausgeübt. Ich finde, er hat das sehr gut gemacht. Jetzt war die Frage öffentlich gestellt: Bleibt dieses Amt oder nicht? Intern war eigentlich klar, es bleibt. Man könnte auch andere Menschenrechte noch mal besonders akzentuieren. Natürlich könnte man zum Bespiel auch einen Beauftragten für die Medienfreiheit einrichten. Es gab aber genau diese Entscheidung und genau dieses Amt. Und es hilft Menschen. Es hilft, Religion freier ausüben zu können. Aber es geht schon auch um den Kontext und die Verbindung zu vielen anderen Menschenrechten. Aber da, wo Religions- und Weltanschauungsfreiheit bedroht ist, sind eben oft andere Menschenrechte auch bedroht. Deswegen ist es eine Stärkung des deutschen Menschenrechtsansatzes insgesamt.

Frage: Was macht denn die Bundesregierung dann konkret oder was soll Ihre Aufgabe sein? Das ist ja jetzt kein Ministerium, es ist eine Beauftragung. Sie können ja jetzt schlecht nach China gehen und sagen "Guckt mal, dass ihr mit den Muslimen besser umgeht".

Schwabe: Das ist natürlich bei den Menschenrechten insgesamt so. Es gibt wenig internationale Möglichkeiten, Dinge zu verfügen. So was gibt es an der einen oder anderen Stelle. Es gibt ja zum Beispiel im europäischen Kontext den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der sich oft auch mit dem Thema der Religionsfreiheit auseinandersetzt. Wir können diesen Gerichtshof stärken, in dem wir darauf dringen, dass am Ende die 47 Mitgliedsstaaten die Gerichtsurteile auch umzusetzen haben. Ansonsten ist es eher die Macht des Wortes, die Macht von Gesten, die Macht von Besuchen, von öffentlichen Statements. Das darf man aber nicht unterschätzen. Also ich mache schon ziemlich lange Menschenrechtsarbeit und man wundert sich ja, dass selbst in den schlimmsten Diktaturen und Autokratien der Welt es nicht unwichtig ist, ob zum Beispiel ein deutscher Bundestagsabgeordneter sich für bestimmte Menschen einsetzt. Und wenn das mit dem Label der deutschen Bundesregierung gelingt, umso besser. Wir werden in der Bundesregierung versuchen, das sehr abgestimmt zu machen. Es gibt im Auswärtigen Amt Luise Amtsberg, das ist jetzt die Beauftragte für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Wir werden unsere Ämter nicht als Gegensatz verstehen, sondern uns eng abstimmen und versuchen, Menschen sehr konkret zu helfen, aber eben auch Schlaglichter zu werfen auf Menschenrechte, auf menschenrechtliche Freiheiten und ich dann  insbesondere auf das Recht auf Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit.

„Ich bin nicht ausgesandt, um das Christentum oder meine Form als evangelischer Christ durchzusetzen, sondern es geht um das Recht von Menschen, ihre Religion frei ausüben zu können.“

—  Zitat: Frank Schwabe

Frage: Also mehr mit Gesprächen und Argumenten vorgehen, als mit politischer Macht?

Schwabe: Das ist natürlich im Grunde immer so. Es gibt ganz wenige Bereiche, wo es internationale Institutionen gibt wie den Internationalen Strafgerichtshof, der überhaupt die Möglichkeit hat, Dinge für andere Staaten anzuordnen. Und ansonsten Menschen gewaltsam die eigenen Vorstellungen aufzudrängen. Das wollen wir natürlich alle nicht. Deswegen ist es am Ende immer eine Form von Diplomatie. Wenn die deutsche Außenministerin in der Welt unterwegs ist, oder auch der deutsche Bundeskanzler, ist er immer darauf angewiesen, dass Gespräche, dass Diplomatie, dass das Hingucken am Ende dazu führt, dass es Verbesserungen gibt. Aber man muss das dann natürlich auch tun. Wenn man nicht hinguckt, nicht darüber redet, sich nicht um die Fragen kümmert, dann passiert eben auch relativ wenig. Also hingucken, am Ende auch Menschen in den Ländern selbst befähigen, ihre Rechte durchzusetzen. Das ist die Aufgabe. Das ist vielleicht nicht kraftvoll genug an jeder Stelle, aber man darf die Möglichkeiten auch nicht unterschätzen.

Frage: Welchen Stellenwert hat denn Ihr neues Amt in der Ampelkoalition? Rein nominell sitzen in der neuen Regierung ja weniger konfessionell gebundene Abgeordnete, als in der Vorgängerregierung. Spielt die Religionsfreiheit da überhaupt eine wirkliche Rolle?

Schwabe: Ich würde mal sagen, es ist nichts, worauf vielleicht eine Ampelkoalition als erstes gekommen wäre, ein solches Amt einzurichten. Und natürlich war die Aufmerksamkeit der großen Kirchen für den Erhalt nicht schädlich. Wenn  man heute einen Koalitionsvertrag schreiben würde, und man hätte alle Möglichkeiten, verschiedene Beauftragte einzurichten, vielleicht wäre eher ein Medienfreiheitsbeauftragter dabei herausgekommen. Aber ich finde es gerade spannend, das Amt ein bisschen anders zu interpretieren. Eben in einem umfassenden Sinne. Deutlich zu machen, dass Religionsfreiheit nicht irgendetwas Antiquiertes ist. Es ist ein modernes Menschenrecht. Es ist ein Anliegen von Menschen an Gott, manchmal auch an Götter, zu glauben oder auch nicht, und das frei ausüben zu können. Es ist kein Recht von Religionen, dafür bin ich nicht da. Manche haben in den Medien geschrieben, ich sei der "Religionsbeauftragte". Das ist ja auch sprachlich alles nicht so ganz leicht, aber das bin ich natürlich nicht. Ich bin nicht ausgesandt, um das Christentum oder meine Ideen als evangelischer Christ durchzusetzen, sondern es geht um das Recht von Menschen, ihre Religion frei ausüben zu können. Es geht auch nicht darum, ein bestimmtes Bild von Christentum zu vertreten, ein konservatives, nicht mal ein besonders progressives. Ich habe natürlich menschenrechtliche Vorstellungen, die sind eher progressiv. Aber auch darum geht es im Kern gar nicht. Ein Sozialdemokrat von dieser Ampelkoalition beauftragt, dieses Recht im Sinne eines modernen Menschenrechts auszugestalten und dafür zu kämpfen. Ich glaube das ist eine Riesenchance für dieses Menschenrecht und für das Menschenrechtsverständnis insgesamt.

Frage: Deshalb auch der zweite Teil der Bezeichnung Ihres Amtes? Sie sind ja nicht nur für Religionsfreiheit, sondern auch für Weltanschauungsfreiheit zuständig.

Schwabe: Es geht eben nicht nur um die Religionsfreiheit, sondern um einen größeren und umfassenderen Begriff, die Frage der Weltanschauungsfreiheit. Es ist bei der Formulierung dieses Rechts auf Weltanschauungsfreiheit gar nicht so einfach, weil Religionen klar organisiert und strukturiert sind. Da wissen Sie meistens, wer die Ansprechpartner sind. Selbst wenn es religiöse Minderheiten sind, haben die sehr oft ihre klaren Hierarchien. Bei der Weltanschauungsfreiheit treffen sie auf eine eher gemischte und heterogene Szene, die manchmal gar nicht so organisiert ist. Es ging aber darum, auch wenn der Begriff ein bisschen sperrig ist, jetzt schon gleich zu Beginn diesen umfassenden Anspruch deutlich zu machen. In den internationalen Bezeichnungen finden Sie das. Es gibt ja auf der EU-Ebene jemanden, der sich mit den Themen beschäftigt. Und bei den Vereinten Nationen haben sie es eigentlich auch noch mal stärker akzentuiert. Mir war es einfach wichtig, dass man das drin hat und dass das gleich am Anfang klargestellt ist, dass das Teil des Ganzen ist. So hat aber Herr Grübel am Ende sein Amt durchaus auch verstanden.

Von Renardo Schlegelmilch