Geheimer Verfassungsentwurf: Malteser besorgt um Souveränität
Der Malteserorden ist angesichts der laufenden Reform seiner Verfassung besorgt um den Erhalt seiner Souveränität. Verschiedenen Medien liegt ein Brief des Großkanzler Albrecht von Boeselager vor, in dem er einen Entwurf einer neuen Ordensverfassung als "Gefahr für die langwährende Souveränität" des Ordens bezeichnet. Der Entwurf soll die Malteser dem Heiligen Stuhl unterordnen. Zuerst hatte das Onlinemagazin "The Pillar" über beide Dokumente berichtet. Die Deutsche Assoziation des Ordens äußerte sich auf Anfrage nicht. Sowohl das Verfahren für die Verfassungsreform wie den Inhalt des Entwurfs stellten den Orden vor große Herausforderungen, "und ich hätte große Schwierigkeiten, sie mit gutem Gewissen zu akzeptieren", zitiert "The Pillar" aus dem Schreiben. Das Vorhaben würde Zusicherungen des Papstes unterlaufen, die Souveränität des Ordens zu erhalten. Boeselager habe den Weg eines Schreibens an Führungskräfte und diplomatische Vertreter des Ordens gewählt, da ihm die zwischen den souveränen Gebilden Orden und Heiliger Stuhl üblichen Kommunikationskanäle nicht mehr zur Verfügung stünden.
Der Entwurf entstand unter der Aufsicht von Kardinal Silvano Tomasi, den Papst Franziskus Ende 2020 zum Sonderbeauftragten für den Souveränen Malteserorden ernannt hatte. Tomasi wurde im vergangenen Oktober mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet. Der langjährige Vatikan-Diplomat dürfe im Namen des Papstes "notfalls auch in Abweichung von der geltenden Verfassungscharta und dem Ordenskodex" Konflikte lösen, hatte Franziskus damals entschieden. Außerdem soll Tomasi über eine neue Verfassung und einen neuen Kodex entscheiden und die Gremien des Ordens im Einklang mit den neuen Rechtstexten reformieren.
Großmeister-Statthalter: Souveränität ermöglicht humanitäres Engagement
Beim Empfang des beim Orden akkreditierten diplomatischen Corps betonte der Großmeister-Statthalter Marco Luzzago in der vergangenen Woche, dass die humanitären Einsätze der Malteser vor allem dank der völkerrechtlichen Souveränität möglich seien. "Es ist diese Souveränität, die es dem Malteserorden ermöglicht hat, durch seine eigene Diplomatie, die sich der ständigen Unterstützung seiner jahrhundertealten humanitären Mission verschrieben hat, ein umfangreiches Netz internationaler Beziehungen aufzubauen", so Luzzago. In diesem Kontext kündigte er auch an, dass in den kommenden Wochen weitere Treffen geplant seien, um offene Fragen der Ordensreform zu analysieren und zu prüfen. Außerdem werde ein außerordentliches Generalkapitel einberufen zur Verabschiedung der Reform, "sobald ein möglichst breiter Konsens in allen wichtigen Fragen erzielt wurde".
Der Malteserorden geriet in den Jahren 2016 und 2017 in eine Verfassungskrise, nachdem der damals amtierende Großkanzler Albrecht Freiherr von Boeselager zeitweise abgesetzt wurde. Hintergrund waren Vorwürfe, dass im Zuge von Hilfseinsätzen auch Kondome verteilt wurden. Boeselager wurde 2017 von Papst Franziskus rehabilitiert, der Orden aber durch die Benennung zunächst von Erzbischof Giovanni Becciu und später Tomasi faktisch unter die Aufsicht des Vatikan im Zuge eines Verfassungsreformprozesses gestellt.
Der 1099 gegründete Ritterorden genießt den Status eines souveränen Völkerrechtssubjekts. Neben dem Heiligen Stuhl und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ist der Orden das einzige originäre nichtstaatliche Vökerrechtssubjekt. Auf Grundlage seiner völkerrechtlichen Anerkennung unterhält er diplomatische Beziehungen zu 112 Staaten, darunter Deutschland. (fxn)