"Wir sammeln nicht für uns"
Frage: Pater Gemmingen, lassen Sie uns über Geld reden. Leben die Jesuiten das, was ihr Papst fordert?
Gemmingen: Manchmal sind wir noch ein bisschen zu gutbürgerlich. Aber man muss auch sagen: Wir bemühen uns darum, noch besser zu werden in dem, was der Papst fordert. Das gelingt mal besser, mal schlechter.
Frage: Deutschland ist ein reiches Land. Wie arm lebt ein Jesuit hier bei uns?
Gemmingen: Verglichen mit einem Hartz IV-Empfänger sind wir eher wohlhabend, aber für Universitätsprofessoren, das sind ja einige von uns, leben wir doch bescheiden. Viele von uns wohnen in dem Zimmer, in dem sie auch arbeiten, private Autos haben wir nicht. Zum Armutsgelübde gehört auch, dass der Jesuit weder Privateigentum noch ein eigenes Einkommen hat: Was der Einzelne verdient, geht an die Gemeinschaft. Für persönliche Ausgaben muss er vom Oberen ein Taschengeld abholen und am Monatsende abrechnen. Er vertraut auf Gott und die Verantwortung seiner Oberen, dass dies auch bis ins hohe Alter so weitergeht.
Frage: Der einzelne Jesuit besitzt nichts, der Orden aber sehr wohl. Ist das kein Widerspruch?
Gemmingen: Man muss unterscheiden: Unsere Werke - wie etwa die Schulen - haben Vermögen. Sie dürfen und müssen langfristig vorsorgen, allein schon, damit etwa die dort beschäftigten Angestellten eine Sicherheit haben. Eine Jesuiten-Kommunität darf aber kein Kapital anhäufen, sondern nur eine Reserve für höchstens drei Monate zurückhalten - und dann Schluss. Der Provinzökonom kontrolliert das. Wenn also einzelne Kommunitäten in München oder Köln viele Spenden bekommen, dürfen sie die nicht bunkern und damit ein sicheres Nest bauen.
Frage: Woher kommt das Geld? Profitieren die Orden nicht auch von der Kirchensteuer?
Gemmingen: Die Orden als solche bekommen keine Kirchensteuer. Aber einige ihrer Mitglieder, die im Dienst einer Diözese stehen, bekommen von dort auch ihr Gehalt. Bei uns reicht das dann oft für mehrere Jesuiten, weil wir in gemeinsamen Haushalten leben. Die meisten von uns sind aber nicht angestellt. Der Orden muss von Spenden leben. Meine Aufgabe ist es, jedes Jahr etwa eine Million Euro für verschiedene Werke, den Flüchtlingsdienst, unsere beiden Hochschulen, für eine Zeitschrift und das Institut für Gesellschaftspolitik einzuwerben.
Frage: Gelingt Ihnen das?
Gemmingen: Bis jetzt erstaunlich gut, weil unsere Freundinnen und Freunde treu sind. Die meisten sind zwischen 70 und 80 Jahre alt.
Frage: Die jüngsten Skandale, vom Kindesmissbrauch bis zur Limburger Dombergbebauung , haben die Spendenfreude nicht getrübt?
Gemmingen: Gott sei Lob und Dank nein. Unsere Spenden sind nicht eingebrochen, wir haben unser Aufkommen in den letzten sieben Jahren sogar zart steigern können. Einfach weil es viele Leute mit genügend Geld gibt, die uns nahestehen, und weil wir vernünftig Fundraising betreiben. Das heißt: Wir sammeln nicht für uns, sondern wir werben um Unterstützung für unsere Aufgaben, zum Beispiel gute Bildung unserer Jugend. Kinder und Enkel sollen ein gutes christliches Fundament haben.
Frage: Jetzt stellen Sie sich ja nicht mit dem Hut in die Fußgängerzone. Wie sprechen Sie potenzielle Gönner an?
Gemmingen: Wir machen zwei, dreimal im Jahr eine Aussendung an jeweils rund 5.000 Leute. Viele von den Angeschriebenen schicken 10, 50, 100 Euro. Da kommt einiges zusammen. Dann machen wir Freundetreffen, im Herbst noch in Essen und Münster, im Frühjahr 2015 in Hamburg. Ganz wichtig ist auch: Die meisten, die uns helfen, haben gute Seelsorgeerfahrungen mit Patres von uns gemacht, haben gute Predigten gehört, sind von ihnen gut beraten und begleitet worden. So hat sich bei ihnen die Überzeugung herausgebildet: Von den Jesuiten bekomme ich etwas für meine Seele, denen gebe ich etwas zurück.
Das Interview führte Christoph Renzikowski (KNA)