Als Folge des Münchner Missbrauchsgutachtens

Regensburg prüft Konsequenzen für Ehrenbürgerwürde von Benedikt XVI.

Veröffentlicht am 28.01.2022 um 11:59 Uhr – Lesedauer: 

Freising/Regensburg/Wathlingen ‐ Nach dem Münchner Missbrauchsgutachten prüfen immer mehr Kommunen Konsequenzen. Nach Freising will nun auch Regensburg über den weiteren Fortbestand der Ehrenbürgerwürde für Benedikt XVI. diskutieren. Eine andere Gemeinde ist sogar schon weiter.

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Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens zeichnet sich in weiteren Städten und Gemeinden in Deutschland eine Diskussion über den künftigen Umgang mit früheren Ehrungen für den emeritierten Papst Benedikt XVI. (2005-2013) ab. Wie der Bayerische Rundfunk (BR) am Donnerstag meldete, gibt es im Stadtrat von Regensburg eine Debatte darüber, ob die Stadt dem ehemaligen Kirchenoberhaupt die 2006 verliehene Ehrenbürgerwürde wieder aberkennen soll. Mehrere Ratsfraktionen hätten auf Anfrage mitgeteilt, dass man sich mit der Rolle Benedikts XVI. im kirchlichen Missbrauchsskandal auseinandersetzen werde.

Das in der vergangenen Woche vorgestellte Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte Benedikt XVI. mit Blick auf seine Amtszeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten bescheinigt. Konkret warfen die Anwälte dem 94-Jährigen Fehlverhalten in vier Fällen vor. Am Montag musste Benedikt XVI. zudem eine wesentliche Aussage aus seiner 82-seitigen Stellungnahme für die Untersuchung korrigieren. Entgegen seiner Darstellung habe er doch an einer für den Missbrauchsfall des Priesters H. wichtigen Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen, erklärte er. Der Fehler sei aber "nicht aus böser Absicht heraus geschehen", sondern "Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme".

Bürgermeisterin: Stadt wird sich mit Ehrenbürgerwürde auseinandersetzen

Die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) erklärte gegenüber dem BR, die Stadt werde sich mit der Frage der Ehrenbürgerwürde auseinandersetzen. Dies sei man den Opfern sexueller Gewalt schuldig, denen unermessliches Leid zugefügt worden sei. Jetzt sei es aber noch zu früh für eine Entscheidung, da die Verfahren innerhalb der katholischen Kirche noch liefen. Ob die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den emeritierten Papst widerrufen werde oder nicht, müsse zu gegebener Zeit im Stadtrat diskutiert und mit einem klaren Votum entschieden werden, betonte die Oberbürgermeisterin. Die Grünen-Fraktion im Stadtrat teilte mit, dass im Licht neuer Erkenntnisse überprüft werden müsse, ob der Träger einer städtischen Auszeichnung dieser auch noch würdig sei. Das gelte auch für einen emeritierten Papst, so ein Fraktionssprecher.

Regensburger Dom
Bild: ©stock.adobe.com/Flexmedia

Benedikt XVI./Joseph Ratzinger ist seit Jahrzehnten eng mit Regensburg verbunden.

Benedikt XVI./Joseph Ratzinger ist seit Jahrzehnten eng mit Regensburg verbunden. Als Theologieprofessor lehrte er ab 1969 an der Regensburger Universität, ehe er 1977 zum Münchner Erzbischof berufen wurde. Sein Bruder Georg war zudem drei Jahrzehnte lang Domkapellmeister am Regensburger Dom und Leiter der Regensburger Domspatzen. Im Zusammenhang mit den Misshandlungs- und Missbrauchsskandalen bei den Domspatzen war auch Georg Ratzingers Verhalten wiederholt kritisiert worden. Vor dem Tod seines Bruders im Juli 2020 war Benedikt XVI. noch einmal überraschend zu einem mehrtägigen Besuch nach Regensburg gekommen.

Auch in Freising wird nach der Veröffentlichung des Münchner Gutachtens über Konsequenzen für die Ehrenbürgerwürde von Benedikt XVI. diskutiert. Er glaube nicht, dass der emeritierte Papst und sein im Gutachten ebenfalls belasteter Nachfolger als Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, weiterhin Ehrenbürger von Freising bleiben könnten, sagte Reinhard Fiedler von der Freien Wählergemeinschaft "Freisinger Mitte", der größten Fraktion im Stadtrat. Allerdings sei die Angelegenheit für das Gremium derart wichtig, dass zunächst eine "breite und offene Debatte" stattfinden müsse. "Wenn die Ehrenbürgerwürde aberkannt werden soll, dann müssen wir das ganz sauber machen", so Fiedler.

Grünen-Fraktionssprecher Werner Habermeyer betonte mit Blick auf die Ehrungen für die beiden Kirchenmänner: "Es geht nicht, dass wir das in dieser Form aufrechterhalten." Grundvoraussetzung für einen Verbleib als Ehrenbürger sei eine "grundlegende Einsicht in das eigene Fehlverhalten", was zumindest bei Benedikt XVI. nicht erkennbar sei. Schon mit Rücksicht auf die Opfer könne der emeritierte Papst daher kein Ehrenbürger bleiben, so Habermeyer gegenüber dem "Münchner Merkur".

„Ich finde, er hat gelogen.“

—  Zitat: Wathlingens Bürgermeister Torsten Harms über Benedikt XVI.

Im niedersächsischen Wathlingen ist die Diskussion offenbar schon weiter. Wie die "Cellesche Zeitung" am Donnerstag berichtete, will die kleine Gemeinde bei Celle ihren Papst-Benedikt-XVI.-Platz umbenennen. Zur Begründung gab Bürgermeister Torsten Harms (CDU) den Umgang des emeritierten Papstes mit dem Missbrauchsgutachten und dessen im Nachhinein korrigierte Aussage zu seiner Anwesenheit bei der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 an. "Sich auf redaktionelle Fehler zu berufen, wird den Opfern nicht gerecht. Ich finde, er hat gelogen", betonte Harms. Er kritisierte zudem, dass Ratzinger bislang kein Wort der Entschuldigung über die Lippen gekommen sei.

"Viele Menschen entsetzen die Vorgänge in der katholischen Kirche"

"Viele Menschen berühren und entsetzen die Vorgänge in der katholischen Kirche", so Harms weiter, "deswegen muss sich auch die Wathlinger Kommunalpolitik mit der Frage befassen, ob der 'Papst-Benedikt-XVI.-Platz' weiterhin so heißen soll." Für sich selbst hat der Bürgermeister die Frage laut der "Celleschen Zeitung" bereits beantwortet. Harms wolle den vor der katholischen St.-Barbara-Kirche gelegenen Platz in "Sankt-Barbara-Platz" umbenennen. Der Gemeinderat wird den Angaben zufolge im März über das Thema beraten.

Die Umbenennung in Wathlingen wäre aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen war die Gemeinde 2006 der erste Ort in Deutschland, in dem eine Straße oder ein Platz nach Papst Benedikt XVI. benannt wurde. Zum anderen war Bürgermeister Harms 2012 auf Einladung des Heiligen Stuhls mit einer zehnköpfigen Gruppe aus Wathlingen im Vatikan zu Gast. Nach der Audienz beim damaligen Kirchenoberhaupt sagte Harms: "Es war etwas ganz Besonderes. Er hat eine besondere Aura." Die Entscheidung, den Platz 2006 nach Benedikt XVI. zu benennen, sei richtig gewesen, so Harms heute. "Jetzt ist es aber nicht mehr richtig, dass es so bleibt", betonte der Bürgermeister weiter. (stz)