Mehr als Brot und Wein: Wiederkehrende Motive und Bilder in der Bibel

Geburt und Tod, Glück und Leid, Freude und Trauer – die Heilige Schrift behandelt die grundlegenden Themen des menschlichen Lebens. Wohl auch aus diesem Grund sind die in der Bibel überlieferten Erzählungen voll von zutiefst irdischen Problemen, schildern aber auch die Geschichte Gottes mit den von ihm nach seinem Bild erschaffenen Menschen. Die Autoren der biblischen Bücher greifen angesichts dieser Bandbreite an Themen regelmäßig auf bestimmte inhaltliche Motive und wiederkehrende Bilder zurück, die eine Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament darstellen.
Zu den bedeutendsten Fragen des Menschen gehört die Suche nach seinem Ursprung. Deshalb beschäftigt sich auch die Bibel damit, woher das Leben kommt und welchen Sinn das Dasein hat. Das Schöpfungsmotiv prägt die biblische Rede von der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Zu Beginn des Buches Genesis ist es der biblische Schöpfergott, der die Welt aus dem Nichts entstehen lässt und dem Menschen seinen Lebensatem einhaucht. In den Psalmen wird Gott als Beschützer und Bewahrer des Lebens beschrieben. Er greift immer wieder in den Lauf der Welt ein und lässt sein Volk nicht allein. Trotz seiner Zugewandtheit zum Leben wird der gleiche Gott mitunter als zerstörerisch und geheimnisvoll erfahren. Der biblische Gott ist für den Menschen nicht greifbar. Das Neue Testament greift den Schöpfungsbegriff auch in der Beziehung zu Jesus Christus auf: Im Galaterbrief wird der Gläubige als "neue Schöpfung" (Gal 6,15) bezeichnet, die sich auf den Gottessohn gründet.
"Geh zur Ameise, du Fauler, betrachte ihr Verhalten und werde weise!"
Das biblische Weisheitsmotiv baut auf dem Schöpfungsglauben auf: Gott hat der Welt bei ihrer Erschaffung eine Ordnung gegeben, die das Leben ermöglicht. Der Prolog des Johannesevangeliums drückt diese Überzeugung durch das Bild des "Wortes" aus, durch das das Licht in die Finsternis (Joh 1,2) gekommen ist. Die Weisheit, also das Wissen darum, wie ein gutes Leben geführt werden kann, ist bei Gott als die Ordnung der Welt erhaltenden Kraft zu finden. Sie muss dem Menschen offenbart werden, wie besonders die alttestamentlichen Propheten in ihrer Verkündigung betonen, indem sie die Menschen zur Umkehr aufrufen. Trotzdem hält die Bibel es für möglich, jenseits der direkten Offenbarung teilweise Weisheit zu erlangen – etwa durch die Betrachtung der von Gott geschaffenen Natur. So empfiehlt das Buch der Sprichwörter: "Geh zur Ameise, du Fauler, betrachte ihr Verhalten und werde weise!" (Spr 6,6) Die Evangelien wiederum zeichnen von Jesus das Bild eines Weisheitslehrers, der allen Mühseligen und Beladenen Zugang zu Gott verschafft.
Jesus wird im Neuen Testament auch als Wundertäter beschrieben. So beginnt er sein öffentliches Wirken mit dem Wunder bei der Hochzeit von Kana (Joh 2,1-12), bei dem er Wasser in Wein verwandelt. Die Evangelien berichten immer wieder von Wunderheilungen durch den Gottessohn, was als Zeichen seiner himmlischen Macht gewertet wird. Das Autorität vermittelnde und Trost spendende Wundermotiv zeigt sich auch in der Erzählung vom brennenden Dornbusch (Ex 3), der vom Feuer nicht verzehrt wird. Hier spricht Gott direkt durch die nicht mit Naturgesetzen zu erklärende Erscheinung. Bei der Entrückung des Propheten Elija in den Himmel im Zweiten Buch der Könige bedeutet das Wunder eine Bestätigung des Gottesmanns. Weitere in der gesamten Bibel zu findende erzählerische Motive thematisieren etwa das Gericht, die Stellvertretung oder den Glauben.

Wasser ist lebenswichtig und dient der Reinigung, doch es kann auch verheerende Folgen haben.
Daneben ist sowohl das Alte als auch das Neue Testament von einer umfangreichen Bildsprache geprägt, die etwa auch Einzug in die Kultur und Sprache christlich geprägter Länder gefunden hat. Ein Beispiel dafür ist das Grundnahrungsmittel Brot. Im Matthäusevangelium (Mt 4,4) antwortet Jesus dem Teufel, der ihn in Versuchung führen will, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebe, sondern von den Worten Gottes. Damit zitiert Christus die Tora, in der sich dieser Ausspruch (Dtn 8,3) findet. In diesem Zusammenhang verweist das Alte Testament auf das Himmelsbrot Manna, mit dem Gott die Israeliten in der Wüste nährte. Brot ist hier neben seiner Bedeutung in der Ernährung ein Bild für die lebensspendende Kraft Gottes. Beim Letzten Abendmahl geht Jesus über die biblische Tradition sogar hinaus: Beim Erinnerungsmahl an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten spricht er vom Brot als seinem eigenen Leib und gibt ihm damit eine neue Bedeutung.
Genauso verhält es sich mit dem Wein, einem anderen existentiell wichtigen Lebensmittel zu biblischen Zeiten. Jesus bezeichnet es als sein Blut (Mt 26,28) und prägt damit die Sakramentenlehre der Kirche bis heute, die diesen Ausspruch Jesu wortwörtlich versteht. Weinbau hat in der Bibel eine lange Tradition: Sie nennt Noah als ersten Menschen, der einen Weinberg (Gen 9,20) anlegte. Fortan ist der Wein in der Heiligen Schrift ein sehr ambivalentes Getränk: Zum einen ist er ein Bild für die Lebensfreue und Ausgelassenheit, zum anderen werden immer wieder die Gefahren von Trunkenheit beschrieben, weshalb Paulus im Brief an die Gemeinde in Ephesos (Eph 5,18) davor warnt, sich am Wein zu berauschen. Jesus benutzt im Johannesevangelium das Bild des Weinstocks sogar für seine Nähe zu den Jüngern: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben." (Joh 15,5)
Feuer kann für Wärme und Licht stehen
Doch nicht nur Lebensmittel, Gegenstände des damaligen Alltags und Tiere sind Teil der biblischen Bildsprache – auch die Naturgewalten finden sich in der Heiligen Schrift, wie etwa das Feuer. Bei der Wanderung der Israeliten durch die Wüste geht Gott seinem Volk tagsüber in einer Wolkensäule und nachts in Form einer Feuersäule voran. Auf diese Weise drückt die Bibel die positiven Eigenschaften dieses Elements aus, das für Wärme und Licht steht – aber auch eine große Gefahr darstellen kann: In der Offenbarung des Johannes wird bei der Beschreibung des Weltendes von einem Engel erzählt, der Beine "wie Feuersäulen" (Offb 10,1) hat.
Das Wasser ist ebenfalls ein bedeutender Teil der Natur, der an vielen Stellen der Bibel vorkommt. So markiert die Sintflut im Buch Genesis einen Neubeginn des menschlichen Lebens auf der Erde. Das Wasser reinigt die Welt von den Sünden der Menschen, wie etwa auch die in den Evangelien beschrieben Taufe des Johannes. Doch gleichzeitig ist sie ein Bild für den Tod, denn die Sintflut begräbt fast alle Menschen unter sich, nur Noah und seine Familie können sich durch den Bau der Arche retten. Im Johannesevangelium wird schließlich die Rede vom "lebendigen Wasser" (Joh 4,10) geprägt. Es steht für den Glauben und das Leben in Gott, denn Jesus verheißt der Frau aus Samarien beim Gespräch am Brunnen, dass sein Wasser ihr zur Quelle des ewigen Lebens werden wird: "Wer aber von dem Wasser trinkt, das sich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben." (Joh 4,14)