Kein Amt für einen "Filialleiter"
Wie Woelki werde auch der neue Bischof im "schwierigen Milieu" Berlins den überkonfessionellen Dialog pflegen müssen. Wenn sich am 7. September Rainer Maria Woelki mit einem Gottesdienst in der Hedwigs-Kathedrale aus Berlin verabschiedet und nach Köln zieht, stehen die rund 407.000 Katholiken in der Diözese nach nur drei Jahren wieder vor dem personellen Neuanfang. Überraschend hatte der Vatikan am 11. Juni den 57-Jährigen als Nachfolger von Joachim Meisner in Deutschlands größtes - und reichstes - Bistum berufen.
Die Rückkehr Woelkis in seine Heimat am Rhein hält das Personalkarussell unter den Purpurträgern weiter in Gang. Spekulationen schießen bereits ins Kraut. Die Bischöfe Stephan Ackermann (Trier) und Franz-Joseph Overbeck (Essen) sowie der Kölner Bistumsverwalter Stefan Heße waren bis zuletzt für Köln gehandelt worden. Sie könnten nun für Berlin infrage kommen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Reinhard Marx, hat bereits Vermutungen zurückgewiesen, dass er es werden könnte.
Kardinal Marx bleibt wohl in München
"Selbstverständlich bleibe ich in München", sagte er. Zwar liegt Berlin mit seiner katholischen Minderheit in der Diaspora. Die Nähe zur Bundesregierung und die Multikulti-Herausforderungen verleihen dem Amt aber eine Ausstrahlung weit über die Stadt hinaus. Woelki, der vom Konservativen Meisner in Köln gefördert wurde, musste zwar in Berlin Widerstände überwinden. In relativ kurzer Zeit konnte der eher schüchtern wirkende Gottesmann dann aber die Skeptiker im notorisch religionsfremden Berlin überzeugen.
Nach der Vatikan-Entscheidung herrscht unter aktiven Katholiken aber noch immer Skepsis über Woelkis Abberufung. "Bischöfe sollten nicht wie Filialleiter ihre Stelle ohne wirkliche Beteiligung der Ortskirche wechseln", sagt der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans-Joachim Meyer. Dies sei wohl auch nicht im Sinne der Stärkung des Bischofsamtes, wie sie Papst Franziskus anstrebe. Grütters, die dem ZdK angehört, spricht von einem "fatalen Rückschlag".
Meyer geht davon aus, dass die Versetzung Woelkis an den Rhein eine eher einsame Entscheidung des Heiligen Stuhls gewesen ist. Der frühere Kultusminister in Sachsen gehört einer innerkirchlichen Initiative an, die den von Woelki eingeleiteten Reformprozess "Wo Glauben Raum gewinnt" kritisch sieht. Sie befürchtet, dass sich die Kirche noch weiter aus der Fläche zurückzieht. Bis 2020 sollen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern rund 100 Gemeinden zu 30 Großpfarreien fusionieren.
Nach Woelki: Neubeginn eines Dialogs in Berlin?
Angesichts der demografischen Entwicklung und des Priestermangels seien Gemeindefusionen wohl unausweichlich, gesteht auch Meyer ein. Er wünscht sich aber eine größere Beteiligung der Basis. Die Ernennung eines neuen Bischofs biete die Chance für den Neubeginn eines Dialogs. Ganz leicht sei das Gespräch mit Woelki in dieser Sache nicht immer gewesen, räumt der Vorsitzende des Diözesanrats, der Vertretung der katholischen Laien, Wolfgang Klose, ein.
Auch am zweiten Großprojekt Woelkis, der Renovierung der katholischen Hauptkirche von Berlin, scheiden sich die Geister. Vor allem Ostberliner können sich mit den Plänen für die Modernisierung von St. Hedwig nur sehr schwer anfreunden. Die Bischofskirche am Bebelplatz, nach den Zerstörungen im Krieg von 1952 bis 1963 wieder aufgebaut, galt zu DDR-Zeiten als Zeugnis des Glaubens.
Der nun vorgesehene Entwurf sei nicht viel mehr als ein "Stuhlkreis", kritisiert Meyer. Er plädiert dafür, die bisherige Gestalt der Kirche mit ihren zwei Ebenen so zu belassen. Monika Grütters sieht dagegen mit dem neuen Entwurf für die Renovierung des ersten Kirchenneubaus in Deutschland nach der Reformation wieder die Liturgie im Mittelpunkt. Laienvertreter Klose hat mit Stühlen statt wie bisher Bänken keine Probleme. Im katholischen Frankreich hätten schließlich die meisten Kirchen Stühle. Der Diözesanratchef wünscht sich mehr Zeit, um über den Umbau zu sprechen. Er hofft auf Woelkis Nachfolger. "Der sollte aber schon länger als drei Jahre bleiben", sagt er.
Von Esteban Engel (dpa)