Die gefährliche Kunst des Menschenfangens
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Er weiß genau, wie es geht: beobachten, analysieren, Lösung anbieten. Und dann: Die Lösung überzeugt, der Mensch ist fasziniert, er lässt alles stehen und liegen – und geht mit. So läuft das, wenn man mit Jesus zu tun hat. Oder mit Verbrechern. Aber der Reihe nach.
Jesus sieht die Männer am See. Sie tun, was sie immer tun – doch recht erfolglos: Die Netze sind leer. Was aber wünscht sich ein Fischer? Richtig: volle Netze! Jesus weiß das. Und er weiß auch: Wenn er die Herzen dieser Leute gewinnen will, muss er in ihre Welt eintauchen. Also bittet er den Simon: "Lass mich in dein Boot!" Gesagt, getan. Jesus sitzt mit Simon, der noch nicht Petrus heißt, in einem Boot. Sie fahren weg vom Ufer – und dann legt Jesus los.
Er spricht vom Reich Gottes, von einer Welt, in der alles gut wird. Simon und seine Freunde hören zu, was der Fremde sagt. Als er eigentlich schon fertig ist, geschieht das Entscheidende. Jesus spricht nicht mehr allgemein zu irgendwem, sondern ganz konkret zu einem, dem etwas fehlt: Erfolg nämlich. Jesus sagt zu Simon: "Wirf die Netze aus!" Und der tut es – obwohl die Aussichten gering sind. Aber von wegen – nach kurzer Zeit: voll bis oben hin!
Und Simon? Der ist selbst voll bis oben hin – voller Begeisterung, so voll, dass er nur noch eines will: diesem Jesus folgen. Diesem bis dahin Fremden, der sich auf ihn eingelassen hat. Der wusste, was er brauchte. Der ihm eine Fülle geschenkt hat, von der er nicht zu träumen wagte. Simon, der bald Petrus heißen wird, geht mit. Und wird selbst so einer werden, dem es gelingt, Menschen zu begeistern. Er wird zum Menschenfischer.
Was sich hier anhört, als wäre es in ein paar Stunden geschehen, ist der klassische Weg der Berufung, der Weg des Hörens, der Weg des Suchens, was für das eigene Leben wichtig und richtig ist. So ruft Jesus Menschen in seine Nachfolge. Menschen, die den Glauben an das Gute noch nicht aufgegeben haben. Menschen, die alles auf eine Karte setzen. Menschen, die in Freiheit ihren Weg suchen und finden.
So macht Jesus das. Aber ebenso handeln auch Manipulierer, Menschenverachter, Verbrecher. Die Methoden sind dieselben. Das Ziel ein anderes. Wer Jesus folgt, wird nie in der Enge landen. Nie in Abhängigkeit. Nie im Kadavergehorsam. Nie in Unterdrückung. Nie in Ausbeutung. Nie in Angst. Und doch gibt es genau das auch im Christentum – und zwar nicht nur in Sekten und obskuren christlichen Splittergruppen, nein: mitten in unserer Kirche.
Wenn Menschen mich manipulieren, indem sie meine Schwäche ausnutzen, dann darf ich ziemlich sicher sein, dass es ihnen nicht um mich geht, sondern um etwas ganz Anderes. Jesus hat oft gefragt: "Was soll ich dir tun?" Und der Kranke, der Verwundete, der Suchende, der Einsame, der Arme, der Gefangene, der Ausgestoßene, der Verirrte konnte sich dem stellen. Und konnte heil werden in Jesu Gegenwart. Und stark. Und groß. Und beschenkt. Und gesegnet. Das ist der Weg Jesu. Ein Weg, der in die Weite führt. Und in die Freiheit. Wer in seinem Namen unterwegs ist, sollte das nie vergessen.
Evangelium nach Lukas (Lk 5,1–11)
In jener Zeit, als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennésaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.
Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.
Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.
Der Autor
Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.