Standpunkt

Ein Schuldbekenntnis der Kirche zum Missbrauch birgt auch Gefahren

Veröffentlicht am 04.02.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Synodale Weg will ein Schuldbekenntnis der Kirche zum Missbrauchsskandal erarbeiten. Das kann ein starkes Zeichen sein – wie vor mehr als 20 Jahren bei Johannes Paul II. Es kann aber auch Schaden anrichten, kommentiert Björn Odendahl.

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Ob MHG-Studie oder die seitdem veröffentlichten Missbrauchsgutachten der Diözesen – immer wieder lassen kirchliche Verantwortungsträger im Anschluss an neue Enthüllungen die gleichen Vokabeln fallen: Betroffenheit, Erschütterung, Sprachlosigkeit. Mal geschieht das mehr, mal weniger glaubwürdig. Oft passen Mimik und Gestik nicht zum Gesagten. Und die Schuldfrage? Die wird von den Verantwortlichen nur selten konkret beantwortet. Ja, individuelle Fehler wurden gemacht. Aber letztlich konnten sie alle nicht anders. Schuld war vielmehr die damalige Zeit, das System, die Strukturen, die verhindert haben, mehr zu sehen und mehr zu tun. Schuld war nicht ich.

Der Synodale Weg will nun einen neuen Akzent setzen: Neben den angestrebten Reformen soll es ein öffentliches Schuldbekenntnis geben. Das klingt erst einmal vielversprechend und kann ein starkes Zeichen sein. Papst Johannes Paul II. sprach im Jahr 2000 ein solches Schuldbekenntnis und eine Vergebungsbitte für Sünden von Katholiken in der Geschichte. Die Bilder des knieenden Pontifex gingen um die Welt. Bischof Franz-Josef Bode legte sich schon 2010 angesichts der bekanntgewordenen Missbrauchsfälle im Osnabrücker Dom flach vor den Altar.

Doch eine "zeremonielle" Aufarbeitung des Missbrauchsskandals birgt auch Gefahren. Es kann Schaden anrichten. Ein Beispiel ist der Bußgottesdienst im Erzbistum Köln vor wenigen Monaten. Er stieß neben Zustimmung auch auf Kritik der Betroffenen; weil ein entsprechendes "Versöhnungsangebot" nicht von den "Tätern", sondern den Betroffenen kommen müsse; weil Letzteren durch die Teilnahme an der Liturgie auch eine Teilschuld am eigenen Missbrauch auferlegt würde; oder weil eine liturgische Inszenierung andere Aspekte der Aufarbeitung – etwa die Anerkennungszahlungen – zu überdecken droht.

Diese Fehler darf es beim Synodalen Weg nicht geben. Die Stimme der Betroffenen muss bei der Erarbeitung des Schuldbekenntnisses die wichtigste sein. Die systemischen Ursachen und angestrebten Reformen dürfen nicht liturgisch verbrämt werden. Wirklich entscheidend ist aber der Inhalt. Ja, die katholische Kirche hat als Ganze Schuld auf sich geladen. Aber ein kollektives Bekenntnis stellvertretend für das "System" reicht nicht aus. Es muss auch Platz für ein ganz persönliches "Mea culpa" der Verantwortlichen sein: Schuld war ich.

Von Björn Odendahl

Der Autor

Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.