Bischof Overbeck macht sich ein Bild vom Gelsenkirchener Knast

Besuch im Gefängnis

Veröffentlicht am 28.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Seelsorge

Gelsenkirchen ‐ Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat in früheren Zeiten schon einmal ganz dicht an einer Gefängnismauer gewohnt - und so manch angeregtes Gespräch von Häftling zu Häftling mitbekommen. Bei seinem Besuch in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen erfährt er von einer ganz neuen Kommunikationsform unter den Gefangenen - einem SMS-Austausch - ganz ohne Handy.

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Wenn es dunkel ist, malen die Insassen im Männertrakt mit Taschenlampen Buchstaben-Folgen ins Fenster - gut sichtbar für die Frauen im Flügel auf der anderen Seite, von wo dann Lichtsignale zurückgefunkt werden. Angeblich der Beginn mancher Romanzen.

Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) besucht Overbeck an diesem Montagvormittag die Haftanstalt, um sich ein Bild zu machen über den Alltag und die Seesorge im Gefängnis. Beide, der Kirchenmann und der Politiker, unterstreichen, wie alternativlos die Präsenz der Kirche in den Haftanstalten ist. Denn die beiden katholischen und der eine evangelische Seelsorger in Gelsenkirchen sind die einzigen Ansprechpartner, die nicht dem Justizapparat angehören und denen aufgrund ihrer Schweigepflicht vieles Persönliche anvertraut werden kann.

Die Seelsorger bereiten auch auf die Freiheit vor

Bild: ©picture alliance/dpa/Marius Becker

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) unterhalten sich in einer Werkstatt der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen mit einem Häftling.

Die Seelsorger könnten viel dazu beitragen, dass die von Schuld betroffenen Menschen in den Haftanstalten wieder zurück ins Leben finden, betont denn auch Overbeck. "Jeder Mensch hat das Recht auf eine zweite Chance verdient", unterstreicht Kutschaty.

Er fühlt sich besonders unterstützt durch Papst Franziskus, der kurz nach seinem Amtsantritt ein Jugendgefängnis besuchte und den Häftlingen so seine Wertschätzung erwies. Auch die Gefangenen in Gelsenkirchen würden nicht immer im Gefängnis bleiben und irgendwann wieder "unsere Nachbarn" werden. Deshalb müssten sie - auch mit Hilfe der Seelsorger - auf die Zeit danach gut vorbereitet werden.

Wie andere Gefängnisse versucht die 1998 in Betrieb genommene und damit relativ moderne Gelsenkirchener Einrichtung die 540 Insassen mit dem Arbeitsleben in Verbindung zu halten. Overbeck und Kutschaty gucken sich in der Schlosserei um, wo unter anderem die Mülleimer für sämtliche Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen gefertigt werden. Eine Tür weiter finden sich Räume der Arbeitstherapie, wo sich besonders junge Menschen auf kreative Weise erproben und Talente entdecken können. Vogelhäuser und Tierfiguren aus Holz, Mosaikarbeiten und Kerzen entstehen hier.

Der Ruhrbischof will noch mehr Gefängnisse besuchen

Es ist diese Normalität des Gefängnisalltages, die Overbeck sich ansehen will und auf die er hinweisen möchte. Denn es gebe "genug bad news", meint er mit Blick auf Skandale, die aber nicht die Realität spiegelten. Auch im Essener Gefängnis war er schon. Demnächst möchte er die Einrichtungen in Duisburg-Hamborn und Bochum besuchen, wie er sagt.

„Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen“

—  Zitat: Jesus Christus laut Mt 25,36

Zur Wirklichkeit in Gelsenkirchen gehört auch eine helle Sporthalle mit Platz für drei Volleyballfeldern unter einem Kuppeldach oder die gefängniseigene Bücherei, die laut Gefängnisdirektor Carsten Heim sehr rege genutzt wird. Sonntags finden in den beiden Gefängniskapellen - jeweils eine für die Männer und eine für die Frauen - Gottesdienste statt, an denen jeweils 20 bis 50 Gefangene teilnehmen. Seelsorgerin Susanne Deitert betont, dass die Seelsorger nicht nur für die rund 130 katholischen und etwa genau so vielen evangelischen Christen da sei. In Krisenfällen - etwa beim Tod eines Angehörigen oder der anstehenden Trennung von Ehepartner - werden sie von allen Häftlingen angefragt, auch von muslimischen. Wenn gewünscht, vermitteln sie auch Kontakte zu einem Imam.

Kutschaty kann sich grundsätzlich vorstellen, auch eine Gefängnisseelsorge für Muslime zu etablieren. An einigen Standorten in NRW gebe es entsprechende Kooperationen mit dem muslimischen Verband Ditib und ein Angebot für das Freitagsgebet. Zudem verweist der Minister auf die neue Haftanstalt in Düsseldorf mit einem Andachtsraum für mehrere Religionen inklusive Fußwaschraum für Muslime.

Von Andreas Otto (KNA)