Warum die Theologie kein leichtes Pflaster für Frauen ist
Sie wäre gerne Theologin geworden, schreibt Anna Kontriner im Herbst auf der Internetseite "feinschwarz.net" - "aber nicht unter diesen Umständen". Die Österreicherin berichtet davon, welche Leidenschaft sie für ihr Fach hat - und dass sie sich dennoch keine berufliche Zukunft in der akademischen Theologie oder der Kirche vorstellen kann: "Ich bin nicht an der Theologie als Wissenschaft gescheitert, sondern an den Institutionen, die dahinterstehen, an der römisch-katholischen Kirche und am neoliberal organisierten Universitätssystem."
Dass die Lage für den wissenschaftlichen Nachwuchs generell problematisch ist, zeigten nicht zuletzt die Twitter-Diskussionen unter dem Hashtag #IchBinHanna. Als Reaktion auf ein Video des Bildungsministeriums zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz machten tausende Forschende auf prekäre Arbeitsbedingungen an den Universitäten aufmerksam. Die Debatte zog im vergangenen Jahr durch die Medien und landete in einer Aktuellen Stunde des Bundestags.
Doch in der Theologie scheinen auch andere Probleme dazuzukommen. Nach einer 2021 in Graz veröffentlichten Studie sind katholische Theologinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen deutlich benachteiligt: Bei Fachpublikationen liegt der Anteil von Frauen demnach bei 18 Prozent, auf akademischen Tagungen bei 21 Prozent. Verantwortlich für die Untersuchung ist die "Agenda", der wissenschaftliche Zusammenschluss von Theologinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
2017 veröffentlichten die Theologen Bernhard Emunds und Jonas Hagedorn eine Publikation zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der deutschsprachigen katholischen Theologie. Demnach waren im Vorjahr 17 Prozent der Professuren von Frauen besetzt, im Mittelbau lag der Frauenanteil bei 44 Prozent. Zugleich konstatieren sie: "Überdurchschnittlich viele Frauen schließen ihre Promotionsprojekte gar nicht oder erst nach langer Zeit ab." Etwa ein Viertel der Promotionen in der katholischen Theologie werde von Frauen durchgeführt - bei allen Fächern liege ihr Anteil bei 44 Prozent.
Für die Junge Agenda, dem unabhängigen Zusammenschluss junger katholischer Theologinnen, sind solche Zahlen alarmierend. "Wir benötigen dringend eine qualitative Studie, die die Strukturen und Kausalitäten des 'Scheiterns' in der akademischen Theologie abbildet. Eine rein quantitative Erhebung reicht nicht aus", teilen sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, plädiere dafür, die Ursachen für die hohe Anzahl von Promotionsabbrüchen insbesondere unter Frauen qualitativ zu untersuchen, hieß es auf Anfrage.
Der Blick in den internationalen Raum zeigt, dass die Probleme nicht nur in Deutschland bestehen. So bemängelt etwa die US-Amerikanerin Colleen Hartung, dass Untersuchungen zur Diskriminierung von Frauen in der Theologie fehlen und zur Begründung von Ungleichheiten nur vereinfachende Generalisierungen zur Rate gezogen werden können.
Viele Theologen "einem konservativen Welt- und Familienbild verhaftet"
Bislang lassen sich keine gesicherten Aussagen über solche Gründe treffen. Auch die betroffenen Personen zeigen sich verhalten. Unter Klarnamen möchte niemand von denen, die zum Gespräch bereit sind, sprechen.
"Wir sind im Grunde mit zwei gegen Frauen gerichteten patriarchalen Systemen konfrontiert - der Wissenschaft und der Kirche", erklärt eine Doktorandin, die unerkannt bleiben will. Viele Menschen in der Theologie seien "einem konservativen Welt- und Familienbild verhaftet".
Problematisch sieht sie auch die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung, die es für eine Professur braucht. Für deren Erteilung muss der zuständige Diözesanbischof unter anderem angeben, keine Bedenken hinsichtlich der Lehre und des Lebenswandels der jeweiligen Kandidaten zu haben. Das Verfahren des "Nihil Obstat" habe "null Transparenz", sagt die Theologin.
Als Frau brauche es eine viel stärkere Reflexionsleistung, um in der Kirche zu bleiben. "Allein, dass ich mich mit Namen nicht in einem Interview zu einem Gender-Thema äußern möchte, zeigt doch schon das Problem an, oder nicht?"
Ähnliche Ansichten teilt eine andere Doktorandin. Bevor man als Frau mit der eigentlichen Arbeit der Promotion beginnen könne, trage man ein mentales Gepäck mit sich, das Männer so nicht schultern müssten. Nachwuchswissenschaftlerinnen seien nicht naiv, sondern zerrissen: "Sie wissen, dass man sich vieles im Fach nicht mehr schönreden kann, gleichzeitig gehen sie ambitioniert und leidenschaftlich gerne ihrer Forschung nach."
Doch auch Zukunftsgedanken spielen eine Rolle - ob sich der akademische Werdegang bei den sinkenden Studierendenzahlen überhaupt noch lohne. "Ich wünsche mir eine sprachfähige Theologie, aber wir haben es auch immer wieder mit moderneverachtenden Studierenden und römischen Anforderungen zu tun, die das nicht leichter machen", erklärt sie.
Am 11. Februar ist der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Aus den Statements der jungen Theologinnen spricht bei aller Kritik auch viel Leidenschaft für ihr Fach. Die Theologie sei vielfältig, biete viele Methoden, Denkweisen und Fächer: "Aber ich würde es aus heutiger Perspektive nicht noch mal studieren."