Reform der Glaubenskongregation: Mehr Dialog, klarer gegen Missbrauch
Die Kurienreform kommt scheibchenweise. Ein weiteres Scheibchen erfolgte nun mit dem Motu proprio "Fidem servare", mit dem Papst Franziskus am Montag die Glaubenskongregation umstrukturierte. Eigentlich war für das wichtigste römische Reformprojekt von Papst Franziskus ein großer Wurf angekündigt, wie ihn Papst Johannes Paul II. 1988 mit seiner apostolischen Konstitution "Pastor bonus" vorgelegt hatte. Sogar ein Titel stand schon fest: Dass die Reform-Konstitution von Franziskus "Praedicate Evangelium", "Predigt das Evangelium", heißen soll, ist mindestens seit 2018 bekannt. Der Veröffentlichungstermin wurde immer weiter nach hinten geschoben: Anfang 2019 hieß es, der Papst wolle das im Prinzip schon fertige Dokument als Zeichen der Synodalität erst nach einer Konsultation der Bischöfe der Weltkirche veröffentlichen (prompt sickerte ein Entwurf durch), Ende 2019 wurde dann 2020 angekündigt. Dann kam Corona. Im Januar 2021 sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, dass im Prinzip das wichtigste schon passiert sei, vor allem durch die Reformen bei den wirtschaftlichen Aufsichts- und Verwaltungsgremien. Im Sommer hieß es von ihm dann, dass der Text einer kirchenrechtlichen Endredaktion unterzogen werde. Auf einen Veröffentlichungstermin wollte er sich da nicht mehr festlegen; auf Weihnachten hin war spekuliert worden, dass vielleicht der Tag der traditionellen Ansprache des Papstes vor der Kurie das Datum der Veröffentlichung werden könnte – aber wieder nichts. Nun berichtet das America Magazine unter Bezug auf vatikanische Quellen, dass es im Mai so weit sein könnte.
Stattdessen kam es immer wieder zu einzelnen Reformschritten: Die Zusammenlegung mehrerer Behörden zum neuen Dikasterium für ganzheitliche Entwicklung, viele Maßnahmen im Bereich von Wirtschaft und Verwaltung – und nun auch die Glaubenskongregation. Weiterhin behält sie ihren Namen und wird nicht, wie es im durchgestochenen Entwurf von 2019 noch hieß, zum "Dikasterium für die Glaubenslehre". Auch an der in "Pastor bonus" festgelegten Rangfolge wird zunächst nichts geändert – dort wird die Glaubenskongregation als erste Kongregation aufgezählt; im Entwurf sollte ihr ein Dikasterium für Evangelisierung vorangestellt werden.
Durchwachsene Beziehung von Franziskus zur Glaubenskongregation
Die Beziehung von Papst Franziskus zur Glaubenskongregation ist durchaus durchwachsen. Schon zu Beginn seines Pontifikats soll er sich bei einer Audienz südamerikanischer Ordensleute eher abfällig über sie geäußert haben: "Vielleicht wird sogar ein Brief der Glaubenskongregation bei euch eintreffen, in dem es heißt, dass ihr dies oder jenes gesagt hättet", sagte er laut Gedächtnisprotokoll eines Teilnehmers – die Ordensleute sollten sich aber keine Sorgen machen, meinte demnach der Papst: "Erklärt, wo ihr meint erklären zu müssen, aber macht weiter. Macht die Türen auf." Der damalige Präfekt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dementierte das schnell, der Papst habe das nicht gesagt.
Dass Müller mittlerweile nicht mehr Präfekt ist, dürfte auch damit zusammenhängen, dass er sich und seine Kongregation öffentlich als theologischer Ausputzer des Pontifikats darstellte. "Papst Franziskus ist sehr pastoral, und die Glaubenskongregation hat die Aufgabe, ein Pontifikat theologisch zu strukturieren", sagte er 2015 in einem Interview. Papst Franziskus dagegen sieht die Kurie ausweislich seiner Weihnachtsansprache im Jahr darauf vor allem als "Hilfs-Organismus für den Papst", die Kurie handle immer "im Namen und in Vollmacht des Papstes". Ein offenes Geheimnis ist auch, dass sich Franziskus in den vergangenen Jahren seiner kurialen Organe auch unter Missachtung ihrer Zuständigkeiten bedient hat – auch bei theologischen Texten soll die Glaubenskongregation bisweilen übergangen worden sein.
Zwei Sektionen sorgen für klare Strukturen
Den Hilfs-Organismus Glaubenskongregation hat Franziskus nun erstmals seit Johannes Paul II. in größerem Maße umstrukturiert. Die auf den ersten Blick wichtigste Änderung ist die klare Zweiteilung der Kongregation: Künftig wird sie zwei Arme haben, eine Sektion für die Glaubenslehre, eine für die Disziplinarordnung. Die bisherige dritte Sektion für Ehefragen wird in die Sektion für Glaubenslehre integriert. Weiterhin wird es einen Präfekten an der Spitze der Behörde geben, künftig aber für jede der Sektionen je einen Sekretär. Die bestehenden Aufgaben wurden dabei auf die jeweiligen Sektionen verteilt. Dennoch stellt die Reform eine überraschende Aufwertung dar: Zwei gleichberechtigte Sekretäre im Rang eines Erzbischofs sind ungewöhnlich bei vatikanischen Dikasterien. Zuletzt wurden in der notorisch klammen Kurie eher Stellen abgebaut statt geschaffen.
Die Glaubenskongregation
Die Kongregation für die Glaubenslehre gilt traditionell als wichtigste Kurienbehörde. In der Praxis ist das wesentlich größere Staatssekretariat allerdings deutlich einflussreicher.
Die heutige Kongregation wurde 1542 von Papst Paul III. (1534-1549) als Kommission "Römische und Allgemeine Inquisition" gegründet und diente anfangs ausschließlich als Gericht für Fälle von Häresie und Schisma. Ab 1555 erweiterte Paul IV. (1555-1559) den Tätigkeitsbereich um die Beurteilung verschiedener moralischer Fragen. Paul VI. (1963-1978) benannte die zwischenzeitlich "Heiliges Offizium" betitelte Behörde um in "Kongregation für die Glaubenslehre". Ihre heutige Form hat die Glaubenskongregation seit der Kurienreform von Papst Johannes Paul II. mit der Apostolischen Konstitution "Pastor bonus" (1988).
Seit 2017 leitet der spanische Jesuit Luis Ladaria die Kongregation als Präfekt, der Posten des Sekretärs ist seit Januar vakant. Beigeordnete Sekretäre sind der maltesische Erzbischof Charles Scicluna und der Dominikaner-Kurienerzbischof Joseph Augustine Di Noia.
Größere Änderungen bleiben aus, geänderte Formulierungen betreffen eher die Stimmung als die Substanz: Auch weiterhin gehört die Prüfung potentiell problematischer theologischer Werke zu den Aufgaben der Kongregation, sie soll nun aber "den Dialog mit deren Verfassern" fördern – zuvor sollte sie diesen nur die Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Überhaupt wird die Aufgabe, "die Wahrheit des Glaubens und die Unversehrtheit der Sitten zu schützen", im Vergleich zu vorher kompakter gefasst. Das neue Motu proprio übernimmt viele Formulierungen von "Pastor bonus", dampft deren Artikel 51, der sich mit dem Schutz der "Wahrheit des Glaubens und der Unversehrtheit der Sitten" befasst, aber auf die Dialogformulierung ein. Das Hinwirken auf die Prüfung theologischer Schriften von Gläubigen durch die zuständigen Autoritäten wird nicht mehr erwähnt, die Aufgabe der "geeigneten Widerlegung falscher und gefährlicher Lehren" ebensowenig.
Eine allzu große Änderung dürfte das in der Praxis ohnehin nicht bedeuten. Die Zeit großer Beanstandungsverfahren prominenter Theologen scheint schon länger vorbei zu sein, auch wenn Kardinal Müller eine laxere Haltung zurückgewiesen hatte. Insofern dürfte die Einkürzung dieser Aufgaben lediglich nachvollziehen, was ohnehin schon seit Jahren geübt wird. Da zugleich aber auf die Normen der "Agendi ratio in doctrinarum examine" verwiesen wird, die unter dem Präfekten Joseph Ratzinger 1997 aufgestellt wurden, stehen der Kongregation kaum weniger Maßnahmen zur Verfügung.
Mehr Klarheit für die Rechtsdurchsetzung
Auffällig ist, dass Artikel 50 von "Pastor bonus" fehlt. "Sie unterstützt die Bischöfe, und zwar als einzelne wie auch in ihren Zusammenschlüssen, bei der Ausübung ihres Dienstes, durch den sie als authentische Lehrer und Verkünder des Glaubens eingesetzt sind, und wodurch sie gehalten sind, die Unversehrtheit dieses Glaubens zu schützen und zu fördern", hieß es dort. Das Fehlen dieses Passus überrascht zunächst, hat Papst Franziskus doch zumindest zu Beginn seines Pontifikats besonders großen Wert auf die Kollegialität und den subsidiären Dienst der Kurie gelegt. Das Angebot einer "Unterstützung" kann aber auch als Drohung verstanden werden.
Die Trennung in zwei Sektionen dürfte für eine größere Klarheit in der kirchlichen Rechtsdurchsetzung sorgen. Dass die Glaubenskongregation bereits zuvor gerichtliche Aufgaben hatte, war wohl nur Insidern bekannt und wurde erst durch die jüngste Reform der Normen für die schweren Straftaten, für die die Glaubenskongregation zuständig ist, im vergangenen Dezember einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Indem der Disziplinarsektion ein explizit nur dafür zuständiger Sekretär vorangestellt ist, wird diese Aufgabe aufgewertet und deutlicher herausgehoben. Von der Arbeitsbelastung her ist sie bereits jetzt die deutlich größere: 80 Prozent der Arbeit der Glaubenskongregation sei hier angesiedelt, 4.500 Fälle sexuellen Missbrauchs noch zu bearbeiten, weiß wiederum das America Magazine. Die Sektion hat nun auch den Auftrag, Ausbildungsinitiativen für Ordinarien und Juristen zu fördern, um die Kenntnis der kanonischen Strafnormen der besonders schweren Delikte zu fördern – neben den Sexualdelikten sind das vor allem Straftaten gegen Glauben und Sakramente. Angesichts der Feststellung von gravierenden Mängeln in der Rechtskenntnis in den diözesanen Kurien durch verschiedene Missbrauchsgutachten dürfte das eine nützliche Aufgabe im Kampf gegen sexualisierte Gewalt in der Kirche sein.
Explizit erwähnt wird nun das Archiv der Kongregation, das auch die historischen Archive der Vorgängerbehörden umfasst. Nicht mehr eigens erwähnt sind die Päpstliche Bibelkommission und die Internationale Theologische Kommission. Es dürfte aber davon auszugehen sein, dass sie nicht abgeschafft wurden; jedenfalls wurden ihre jeweiligen Statuten nicht explizit aufgehoben.
Bald dreht sich womöglich das Personalkarussell
Wie die Reform der Glaubenskongregation sich in der Praxis auswirken wird, muss sich noch zeigen. Der bisherige Sekretär der Kongregation Giacomo Morandi wechselte bereits im Januar als neuer Diözesanbischof ins Bistum Reggio Emilia. Die Versetzung der Nummer zwei der wichtigsten Kongregation in ein einfaches Bistum – seinen persönlichen Titel als Erzbischof behält er bei – wurde als Degradierung interpretiert. Angeblich soll er für Franziskus’ Reformagenda zu konservativ gewesen sein; er soll für das recht unversöhnlich formulierte Nein der Kongregation zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften verantwortlich sein, und Franziskus' Eindämmung der "Alten Messe" soll ihm ein Dorn im Auge gewesen sein. Auch die Zukunft des bisherigen Präfekten, Kardinal Luis Ladaria, ist ungewiss. Er wird in diesem Jahr 78, hat das Rücktrittsalter von 75 Jahren schon hinter sich und ist dem Verlust des Wahlrechts im Konklave mit 80 Jahren nahe. Zudem läuft seine reguläre fünfjährige Amtszeit im Juli aus. Schon sein Vorgänger Müller blieb nur fünf Jahre im Amt, und erst zum Jahreswechsel hat Papst Franziskus Kardinal Peter Turkson exakt mit Ablauf von fünf Jahren als Präfekt des Entwicklungs-Dikasteriums entpflichtet.
Im Gespräch für einen der Sekretärsposten oder möglicherweise sogar die eventuelle Ladaria-Nachfolge ist der bisherige beigeordnete Sekretär der Kongregation, der maltesische Erzbischof Charles Scicluna. Schon unter Papst Benedikt XVI. war er im Auftrag Ratzingers mit der Untersuchung der Pädophilievorwürfe gegen den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel, betraut, 2018 beauftragte ihn Papst Franziskus mit der Untersuchung von sexuellem Missbrauch in Chile. Als Kirchenrechtler wäre er eine ungewöhnliche Wahl für den Präfektenposten, der zuletzt vor allem von Dogmatikern besetzt wurde. Mit seiner Erfahrung und seiner Ausbildung wirkt der Sekretärsposten der Disziplinarabteilung aber wie für ihn gemacht. Ob mit Kardinalspurpur oder ohne: Ein Aufstieg Sciclunas zum Präfekten oder Sekretär würde einen weiteren Vertrauten von Franziskus an zentraler Stelle platzieren – und mehr noch als die klare Aufgabenzuteilung an die Disziplinarsektion dürfte diese Personalie, so sie denn zuträfe, den Fokus der Kongregation auf ihre Disziplinarsektion verschieben anstatt auf ihre doktrinäre.