So nötig wie Wasser in der Wüste
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Impuls von Christoph Kreitmeir
Was ist das wirklich Typische am Christentum? Das Herzstück dieses Glaubens ist sicherlich der Glaube an die Auferstehung. Dies betrifft vor allem den Blick nach "Drüben", ins Jenseits. Hier im Diesseits gilt die Feindesliebe als das ganz Besondere dieser Religion. Jesus hat dazu ganz klar aufgefordert und es auch idealtypisch vorgelebt. Damit durchbricht er ein Denken, Fühlen und Handeln des menschlichen Charakters und öffnet einen Fluchtweg aus dem jahrtausendealten Teufelskreis der Vergeltung.
Wir alle wissen nur zu gut, wie schwer dieses Ideal umzusetzen ist. Unsere Religion ist daran leider auch immer wieder gescheitert. Aber Gott sei Dank gab und gibt es einzelne Menschen – bekannt oder unbekannt – , welche die Feindesliebe leben.
Der Schwede Dag Hammarskjöld (1905-1961) war so ein Mensch. In der Zeit des Kalten Krieges war er der zweite UNO-Generalsekretär von 1953-1961. Auf der einen Seite ganz klarer Realist, der seine Aufgabe als Vermittler zwischen Aggressoren als "den unmöglichsten Job der Welt" bezeichnete. Auf der anderen Seite lebte in ihm ein faszinierender Radikal-Spiritueller, dessen Kraftquelle die persönliche Glaubensbeziehung zu Jesus Christus war. Sein Notizbuch, das nach seinem mysteriösen Tod durch einen Flugzeugabsturz entdeckt und dann unter dem Titel "Zeichen am Weg" (schwedisch: Vägmarken) veröffentlicht wurde, gilt als eine Fundgrube von geistig-geistlichen Schätzen sowie ethischen Handlungsanweisungen. Er selbst nannte seine Aufzeichnungen ein "Weißbuch meiner Verhandlungen mit mir selbst und mit Gott".
Charakterliche Integrität, der Wille zu einer stetigen und bewussten Selbstüberprüfung, der tagtägliche persönliche Einsatz, das Leben aus einer unerschütterlichen Hoffnung und die persönliche spirituelle Gottesbeziehung gaben ihm Kraft und Energie, dem Frieden zu dienen. Genau die gleichen Wesenszüge zeichneten Jesus aus und jeden und jede, die es nicht aufgeben, der Utopie des großen und kleinen Friedens ihren Einsatz zu schenken.
Dag Hammarskjölds diplomatischer Friedenseinsatz war gleichzeitig klug, demütig, beherzt, geduldig und gewagt. Wir hätten Menschen wie ihn heute so nötig wie Wasser in der Wüste.
Der damalige US-amerikanische Präsident John F. Kennedy sagte über diesen realistisch-idealistischen Christen einmal: "Ich bin mittlerweile zur Erkenntnis gelangt, dass ich im Vergleich zu ihm nur ein kleiner Mensch bin. Er war der größte Staatsmann unseres Jahrhunderts."
Evangelium nach Lukas (Lk 6,27–38)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euch, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!
Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!
Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen.
Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden! Gebt, dann wird auch euch gegeben werden!
Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.
Der Autor
Der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir arbeitet in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt, in der Erwachsenenbildung und bei Lebenshilfesendungen im Radio Horeb.