Scharfe Kritik des Betroffenenbeirats an Anerkennungsleistungen
Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz zeigt sich angesichts von Form und Inhalt des Tätigkeitsberichts der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) bestürzt. Mit seiner "Fixierung auf Zahlen und Daten" werde er "weder der Situation noch dem Anliegen der von sexuellem Missbrauch Betroffenen in der katholischen Kirche" gerecht, heißt es in einer Pressemitteilung des Beirats am Freitag. Das Anerkennungssystem werde seinem Anspruch und seiner Aufgabe "nur in einem verschwindend kleinen Teil der Vorgänge gerecht". Die zu Beginn des vergangenen Jahres eingerichtete UKA hatte am Vormittag erstmals über ihre Arbeit berichtet und mitgeteilt, dass sie Betroffenen von Missbrauch in 606 Fällen Anerkennungsleistungen in Höhe von insgesamt knapp 13 Millionen Euro zugesprochen hatte. Weitere 949 Anträge konnten 2021 noch nicht bearbeitet werden.
Der Bericht belege "das Versagen und die Versäumnisse der Vergangenheit". Die Geduld der Betroffenen wie der Gesellschaft sei "sehr bald" erschöpft, so der Betroffenenbeirat weiter: "Damit diese Grenze nicht überschritten wird, braucht es jetzt Entscheidungen, die auch in der Anerkennung des erlittenen Leids endlich zu einem glaubhaften Zeugnis einer wirklichen Haltungsänderung werden." Für eine entsprechende Weiterentwicklung des Systems der Gewährung von Anerkennungsleistungen bietet der Beirat den Bischöfen und anderen Verantwortlichen seine Mithilfe an.
Betroffene möchten anerkannt und ernst genommen werden
Trotz des umfassenden Berichts vermisse der Betroffenenbeirats Transparenz. Er beschränke sich zu sehr auf Zahlen zu den Anerkennungsleistungen und die Struktur der Entscheidungsfindung in der Kommission: "Der Geschäftsbericht eines börsennotierten Wirtschaftsunternehmens könnte nicht nüchterner und distanzierter sein", heißt es in der Stellungnahme des Betroffenenbeirats. Auch wenn es bei der Arbeit der UKA um die Zahlung von materiellen Leistungen gehe, sei das primäre Interesse von Betroffenen nicht Geld: "Sie möchten anerkannt, gesehen, wahr- und ernst genommen werden", betont der Beirat. Im Bericht tauchten Betroffene hauptsächlich als "Antragsteller" auf. Es bleibe zu hoffen, "dass diese Nichtbeachtung keine Aussage für das Gewicht dieser notwendigen Fachexpertise in der Arbeit der UKA darstellt". Die UKA besteht aus elf Personen, davon sind fünf Juristen und sechs Fachleute aus Medizin und Psychologie.
Auch die Auswahl der präsentierten Zahlen stößt auf Kritik. Im Bereich des "Leistungsgeschehens des Systems" bestünden erhebliche Mängel. So fehlten zu einem Großteil der beschiedenen Leistungen nachvollziehbare und transparente Details, außerdem würden die gewährten Leistungen unterhalb von 10.000 Euro nicht ausreichend aufgeschlüsselt. Auch fehle "jegliche kritische Reflexion des Regelwerkes". Die UKA arbeitet auf der Grundlage einer von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beschlossenen Verfahrensordnung. Dieses Fehlen verwundere umso mehr, "als dass die Kritik eben nicht nur von Betroffenen, sondern immer deutlicher auch aus den kirchlichen Verwaltungen, von diözesanen Ansprechpersonen, Präventions- und Interventionsbeauftragten bis hin zu geistlichen Würdenträgern aus den Bistumsleitungen laut vernehmbar formuliert wird", so der Betroffenenbeirat weiter.
Bereits zuvor scharfe Kritik von Betroffenenvertretern
Bereits im Juni des vergangenen Jahres hatten zwei Betroffenenvertreter deutliche Kritik an der Arbeit der UKA geäußert. In einem als "Hilferuf" formulierten Brief an die Bischöfe und Generalvikare der deutschen Diözesen berichteten Patrick Bauer und Jens Windel von Rückmeldungen Betroffener, die gekennzeichnet seien "von Enttäuschung über die Höhe der Anerkennung, von Ärger über die Bearbeitungsdauer und von Frustration über die Art der Kommunikation". Die UKA wies diese Kritik zurück. "Die pauschale Wertung, durch die Entscheidung der UKA werde 'weder das tatsächlich erlittene Leid widergespiegelt, noch eine genugtuende, wertschätzende Anerkennungsleistung erbracht', nimmt die professionelle und engagierte Arbeit der Unabhängigen Kommission nicht zur Kenntnis", betonte die UKA. Auch die Deutsche Bischofskonferenz, auf deren Beschluss die Kommission eingerichtet wurde, nahm keine grundsätzlichen Änderungen an der UKA vor und teilte mit, am Verfahren festhalten zu wollen.
Im September 2020 hatten die deutschen Bischöfe das seit 2018 bestehende System der "Anerkennungsleistungen" für Betroffene sexualisierter Gewalt grundlegend reformiert und eine "Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids von Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche" erlassen. Der UKA gehörten zunächst vier Frauen und drei, später vier Männer aus den Bereichen Recht, Medizin und Psychologie an, im Januar wurde die Kommission um drei weitere Mitglieder aufgestockt, um schneller arbeiten zu können.
Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz besteht aus zwölf Personen, die von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Zuständigkeitsbereich der katholischen Kirche betroffen sind. Die Mitglieder wurden im Herbst 2020 durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz für eine dreijährige Amtszeit berufen. Der Beirat soll die Bischofskonferenz in Fragen des Missbrauchs und der sexualisierten Gewalt beraten, aber auch eigene Initiativen und Sichtweisen aus der spezifischen Sichtweise der Betroffenen einbringen. (fxn)