Über die Klosterzelle – Rückzugsort mit Extra-Raum für Gott
Wer das Wort Zelle hört, denkt entweder an eine Gefängniszelle oder an die kleinste lebende Einheit aller Organismen. Selten aber fällt einem die Klosterzelle ein – und durch die ersten Assoziationen ist dieser Begriff auch gar nicht immer positiv besetzt. Dabei gehört sie ganz unbedingt zum klösterlichen Leben dazu und macht das Zusammensein in der Gemeinschaft überhaupt erst möglich. Und die beiden ersten Gedanken können schon Hinweise auf den Sinn der klösterlichen Zelle geben.
Die Gefängniszelle ist ein Ort, in dem ein Mensch für sich alleine und zurückgezogen ist. Im Gefängnis natürlich nicht freiwillig. Im Kloster dagegen zieht die Schwester oder der Bruder sich gerne und freiwillig in seine Zelle zurück. Sie wird nicht von außen verschlossen, aber es ist doch klar, dass die Zelle ein Ort ist, zu dem niemand anderes Zutritt hat. Es ist der privateste Ort eines Ordensmenschen, an dem man sich auch nicht gegenseitig besucht. Dafür gibt es die entsprechenden Gemeinschaftsräume.
Raum der Stille und des Gebets
Stattdessen ist die Zelle ein Raum der Stille und des Gebets, in dem die Schwester oder der Bruder ganz für sich und ganz mit Gott sein kann. Es ist der Raum, an dem man sich erholen kann, in dem man Ruhe suchen kann, wenn die Gemeinschaft einmal etwas anstrengend sein sollte, und in dem man auch Gott suchen kann. Daher ist die klösterliche Zelle in der Regel eher schlicht eingerichtet. Sie soll ein Raum sein, an dem der Ordensmensch sich auf das Wesentliche fokussieren kann. Letztendlich nämlich auf sich selber in der Beziehung mit dem Herrn, der sie oder ihn in diese Form der Nachfolge gerufen hat.
Und so ist die Zelle in gewisser Weise auch die kleinste lebende Einheit des Klosters. Sie ist eben nicht nur der Raum zum Schlafen, zum Lesen oder um privaten Hobbys nachzugehen. Vielmehr ist die Zelle der Ort, in dem das Ordensleben wachsen und gedeihen kann. So können hier in aller Ruhe die Geschehnisse des Tages reflektiert werden oder der Tag mit der Meditation begonnen werden. Es ist auch der Ort, der in der Erholung und im Schlaf dabei hilft, neue Energie zu sammeln. Und er ist ein schützender Ort, denn, wie bereits beschrieben, hier stört einen niemand, hier ist man ganz für sich und kann sich auch mal fallen lassen – zumindest ins Bett.
Somit kann in der Zelle durch den freiwilligen Rückzug das Ordensleben wachsen und Frucht bringen. Sie gehört also zu den kostbarsten Orten des Klosters und sollte sorgfältig gepflegt werden.
Da aber nicht jede und jeder die Möglichkeit hat, immer wieder in die Zelle zurückzukehren oder überhaupt so eine Zelle sein Eigen zu nennen, ist es tröstlich, was Katharina von Siena zur Zelle sagt: Die Heilige spricht davon, dass die Zelle gar nicht unbedingt ein Raum im Kloster sein muss – schließlich hatte sie selber gar nicht so eine Zelle – sondern dass die Zelle als der Ort des Rückzugs und der Ort der Gottesbegegnung im eigenen Herzen zu finden ist. So ist es immerzu und überall möglich, sich aus dem Geschehen heraus zu nehmen und sich zurück zu ziehen.
Ort der Gottesbegegnung im eigenen Herzen
Man muss also nicht einen besonderen Ort aufsuchen, an dem man ganz bei sich und bei Gott sein kann, sondern jeder Mensch trägt diesen Ort bereits in sich. Das ist tröstlich, wenn man auf Reisen ist, aber auch dann, wenn man in Gesellschaft ist und eigentlich dringend eine kleine Auszeit bräuchte. Niemand kann einen daran hindern, sich in sein eigenes Herz zurückzuziehen und sich dort zu erholen. Wie bei der räumlichen Zelle hat auch hier niemand per se Zutritt – und es ist ein Ort, der dabei helfen kann, sich wieder neu auszurichten.
Von daher ist klar, dass das eigene Herz als "Zelle" sorgfältig gepflegt werden sollte. So kann es zu einem Lebensort werden, den man gerne betritt und an den man sich gerne zurückzieht. Was dann um einen herum passiert, spielt im Grunde keine Rolle mehr. Denn hier hat man seinen Platz, an dem man ganz man selbst sein kann.